Plötzlich Seriensieger
Nach einem Teamwechsel tritt Mountainbiker Florian Vogel wie verwandelt auf. Zum Saisonstart gewann er sechsmal in Folge. Emil Bischofberger Rapperswil-Jona

Normalerweise sass Florian Vogel in einer Ecke im Camper des Odlo-Scott-Teams, grüsste freundlich, verschwand dann. Wer sitzen blieb und referierte: Nino Schurter, der Weltmeister, der Seriensieger, der Teamleader. Für Vogel interessierte sich zuletzt selten bis nie jemand. Warum auch? Er war die überdeutliche Nummer 2 hinter Schurter, meist solide unterwegs, aber nie mehr.
Der Aargauer, der schon viele Jahre in Rapperswil-Jona wohnt, stagnierte in den vergangenen Jahren leistungsmässig, zugleich startete Teamkollege Schurter richtig durch. Der gewann in den vergangenen vier Saisons dreimal den Gesamtweltcup, zweimal die WM, holte Olympiasilber. Und Vogel? Wurde 2011 Schweizer Meister, seither gewann er gerade noch drei – kleine – Rennen.
Anfang Jahr wechselte er das Team, im März siegte er zum Saisonstart in einem Etappenrennen auf Zypern. Im April folgten dann die Erfolgsmeldungen wöchentlich. Vogel siegte auch in Italien, in Österreich und in Deutschland. Sechs Siege reihte er aneinander, das war ihm noch nie gelungen, «nicht einmal bei den Junioren», fügt er hinzu.
Das Bauchgefühl übergangen
Die Siege haben seinem Selbstbewusstsein gutgetan. Er wirkt offener, irgendwie befreit. Dazu passen die deutlichen Worte, die er zu seiner jüngeren Vergangenheit findet. Seine ganze Profikarriere war er fürs Scott-Team gefahren, seit 1999. «Im Nachhinein waren es wohl vier Jahre zu viel», sagt Vogel. 2010 hatte er, kurz nach einem Weltcupsieg, einen 4-Jahres-Vertrag unterschrieben, dotiert mit dem Honorar eines regelmässigen Weltcupsiegers. «Ich hätte damals mehr auf meinen Bauch hören sollen. Aber ich zog die Sicherheit, die Planbarkeit vor», sagt Vogel, dessen Frau zu jenem Zeitpunkt mit ihrem ersten Kind schwanger war.
Danach wollte es nicht mehr klappen mit weiteren Siegen. Vogel, der als Weltcupsieger verpflichtet worden war, spürte diesen Druck. «Er grübelte und machte, ich konnte ihm nicht helfen», sagt Teamchef Thomas Frischknecht, den zugleich der steile Aufstieg von Teamleader Schurter auf Trab hielt. «Es braucht wenig, dass es kippt. Und dann stehst du dir selber im Weg», beschreibt es Vogel. Es kippte zuletzt auch die Stimmung, Frischknecht spricht heute von «einer Ehe, die in die Brüche gegangen ist».
Der 33-Jährige schaute sich nach einem neuen Team um, allerdings halfen seine mässigen Resultate da wenig. Erschwerend hinzu kamen jüngste Budgetkürzungen bei vielen Equipen.
Vogel setzte sich damit auseinander, dass 2014 sein letztes Profijahr sein würde. Bis Focus-Teamchef Matthias Beck aufsprang. «Ich hatte das Gefühl, dem Flo gehe es hauptsächlich darum, ein gutes Nest zu finden. Wo er sich wohlfühlt, seinen Sport noch ein paar Jahre ausüben und ohne grossen Druck schauen kann, was dabei rauskommt», sagt dieser. Auf der zwischenmenschlichen Ebene, die Beck so wichtig ist, stimmte es sofort, zumal der Deutsche an Vogels Potenzial glaubte. «Man hat schon gesehen, dass er in der Lage ist, unglaublich schnell zu fahren. Und wer das während einer Runde kann, kann das auch während sieben, acht.»
Bestwerte in den Leistungstests
Was Vogel mit seinem fulminanten Saisonstart bewiesen hat. Natürlich trägt das neue, ultraleichte Mountainbike, das – weil noch nicht offiziell vorgestellt – mit abgeklebten Schriftzügen in Vogels Velokeller steht, das Seine dazu bei. «Aber letztlich entscheidet der, der draufsitzt», hält Vogel fest. Im Winter erreichte er in den Leistungstests wie jedes Jahr seit 2009 neue Bestwerte – was seine Motivation weiter steigerte, danach kamen die Siege und damit das Selbstvertrauen.
Dieses ist trotz dem Ende der Serie ungebrochen. Vor zwei Wochen wurde er in Solothurn nach einem Plattfuss Sechster – bis zum Malheur hatte er das Rennen zusammen mit Schurter angeführt. Kommenden Sonntag treffen sich die beiden wieder, beim Weltcupauftakt in Nove Mesto (Tsch).
Vogels Chef spricht im heutigen Trainerduktus vom «Abrufen der Leistungsfähigkeit», nicht von bestimmten Rängen. «Aber es wird für jeden sehr, sehr schwer, Flo zu schlagen, wenn er nahe an sein Optimum herankommt.» Ähnlich sieht auch Ex-Chef Frischknecht den neuen Konkurrenten: «Um Nino habe ich keine Angst. Aber dahinter wird es nach Flos Aufstieg extrem spannend.» Dann fügt er noch hinzu: «Ich mag ihm das gönnen.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch