Als der «Bergfloh» die Schweiz entzückte
Die 12. Etappe der Tour de France führt heute auf die legendäre Alpe d'Huez. Nur ein Schweizer schaffte es, dort zu siegen. Aber der Triumph bleibt unvergesslich.
Sie kämpfen, stürzen und leiden wieder, die Helden der Tour de France. Die Qualen sind besonders schmerzhaft, wenn die Routen durch die Alpen und Pyrenäen führen. Auch heute Donnerstag, wenn der Tross sich von Bourg-Saint-Maurice auf die Alpe d'Huez über 175,5 Kilometer schlängelt, wird die Anstrengung auf den Gesichtern der Fahrer deutlich sichtbar sein.
Alpe d'Huez? Genau, das ist der legendäre Aufstieg mit 21 Kurven zwischen Tal und Etappenziel, mit Menschenmassen links und rechts, die für die Profis Ansporn und Ärgernis zugleich bedeuten. «Die Tortur durch den Ballermann am Berg», titelt welt.de und bezeichnet die Königsetappe als «Zuschauer-Wahnsinn von L'Alpe d'Huez». Auf fast 14 Kilometern müssen rund 1100 Meter Höhendifferenz überwunden werden. Es gibt zwar schwierigere Steigungen in der Grande Boucle, aber dennoch sind die Teilstücke auf diese Alp legendär, die viele Geschichten der Rundfahrt provoziert haben. «Die Alpe d'Huez ist ein mythischer Aufstieg», hat Beat Breu in einem Interview vor genau fünf Jahren mit Redaktion Tamedia gesagt.
Und der muss es ja wissen: Der ehemalige Radprofi ist bis jetzt der einzige Schweizer, der es geschafft hat, auf der berühmten Alp als Erster durchs Ziel zu fahren.
Sternstunde des Schweizer Radsports
Da momentan die grossen Schweizer Erfolge in der Tour de France ausbleiben, dürfen wir gerne in den Erinnerungen schwelgen. Wir schreiben also den 20. Juli 1982. Der Ostschweizer Beat Breu verblüfft und entzückt gleichzeitig. Und dem Kommentator des Schweizer Fernsehens verschlägt es fast die Stimme. Schon vor vier Tagen, bei der 13. Etappe von Pau nach Saint-Lary-Soulan, liess «le petit Suisse» die gesamte Konkurrenz hinter sich. Nun schlägt der Cilo-Aufina-Fahrer beim Aufstieg auf die Alpe d’Huez erneut zu. Auf den letzten Kilometern kontert Breu seinen letzten Gegner Robert Alban und überquert als Erster die Ziellinie. «Momoll, das hat dem Franzosen den Bogen gegeben», kommentiert Breu mit seinen typischen Worten sein taktisches Meisterstück.
Die Sportwelt zwischen St. Julien GE und Buchs SG, zwischen Schaffhausen und Chiasso feiert den St. Galler als ganz grossen Helden, es wird der Übername «Bergfloh» kreiert. Breu, der beste Kletterer an der Tour, wird schliesslich Gesamtsechster und Dritter der Bergwertung. Der Zürcher Sportjournalist Werner Schweizer begleitet die Tour beruflich und hält in seiner Chronik fest: «Weil sein Stil dem Chef im Feld, Bernard Hinault, nicht gefällt, darf Bernard Vallet Bergkönig werden und nicht der beste Kletterer Breu.»
Der einzige Schweizer Sieger
29 Jahre nach seinem grossen Erfolg im Ort auf 1850 Metern Höhe, am 22. Juli 2011, kommentiert Breu für «Tages-Anzeiger/Newsnet» als Fachmann die 19. Etappe auf die Alpe d'Huez live. «Das ist einer meiner schönsten Siege gewesen», sagt der damals 53-Jährige vor seinem journalistischen Einsatz. Er werde immer noch auf diesen Triumph angesprochen. «Und an diesem Morgen hat Radio DRS in einem Quiz noch einmal auf meinen Erfolg hingewiesen. Vielleicht bleibt es den meisten Leuten noch haften, weil ich immer noch der einzige Schweizer bin, der auf der Alpe d’Huez gewinnen konnte.»
Daran hat sich in den letzten sieben Jahren nichts geändert. Es sei denn, das kleine Grüppchen der Schweizer würde am Donnerstag überraschend zuschlagen. Aber weder Mathias Frank (48. im Gesamtklassement), Stefan Küng (50.), Silvan Dillier (103.) oder Michael Schär (123.) wird ein Exploit zugetraut. Das Quartett muss seine Dienste als Helfer erfüllen, wobei nicht vergessen werden darf, dass Frank 2015 den sehr guten achten Rang im Gesamtklassement belegte.
Die Faszination der Kultetappe
Breu empfindet es als «faszinierend, wieviele Menschen sich einfinden, um einen Hauch von der Tour mit eigenen Augen mitzuerleben». Als er viele Jahre nach seinem Coup als Hobbyfahrer beim Aufstieg auf die Alp in der Kurve 14 sein Namensschild liest, umhüllt ihn auch ein stolzes Gefühl. «Es ist natürlich sehr schön, wenn man auf die Alpe d'Huez fährt und seinen Namen lesen kann.»
Was die These bestätigt: Wer die Kultetappe gewinnt, wird nicht so schnell vergessen.
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