Gesucht sind nicht nur Skorer
In den heute Samstag beginnenden NLA-Playoffs werden die Ausländer eine grosse Rolle spielen, doch sie sind weniger dominant als früher.

Mark Arcobello ist NLA-Topskorer geworden, und beim SC Bern wird gehofft, dass der Amerikaner auch in ein paar Playoff-Partien für die Differenz sorgen kann. Im historischen Kontext erscheinen die 55 Zähler Arcobellos allerdings eher bescheiden. Anfang der 1990er-Jahre sorgte das russische Gottéron-Duo Wjatscheslaw Bykow / Andrei Chomutow inklusive Playoffs jeweils für über 200 Skorerpunkte.
Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele; der Kanadier Normand Dupont etwa kam für den EHC Biel zwischen 1984 und 1988 vier Saisons in Folge auf durchschnittlich über zwei Zähler pro Match. Und noch ein Jahrzehnt früher führte Paul-André Cadieux den SCB dreimal zum Titel – als Spielertrainer.
Damals war pro Team nur ein Akteur ohne Schweizer Pass zugelassen. «Die Ausländer waren fast schon Ausserirdische. Es kamen dank des Wirtschaftsstandorts Schweiz schon immer sehr gute Leute zu uns», erzählt Simon Schenk, Langnauer Meisterspieler, später Nationaltrainer und zuletzt viele Jahre in der Organisation der ZSC Lions tätig.
Als Ergänzung für das Team
Tore wie am Fliessband schiesst heute keiner mehr, was in erster Linie mit der positiven Entwicklung des einheimischen Eishockeys zu tun hat. «Ihre Punkte sind immer noch sehr wichtig, aber die Schweizer Spieler haben aufgeholt», sagt Reto Kläy, Sportchef des EV Zug, über die Bedeutung der Fremdarbeiter auf Kufen. Simon Schenk glaubt, die durchschnittliche Qualität der engagierten Ausländer habe etwas abgenommen. Bei maximal acht zu vergebenden Lizenzen pro Klub könne nicht jeder ein Topausländer sein, argumentiert er einleuchtend.
Geändert hat sich freilich auch die Rolle der Importspieler. Gesucht werden heutzutage nicht nur Skorer. «Beim Verpflichten eines Ausländers steht der Bedarf des Teams im Vordergrund», erklärt Jan Alston, Sportchef des Lausanne HC. Es gilt also, die Equipe mit Qualitäten zu ergänzen, welche den Einheimischen im Kader fehlen. «Man muss eine Mannschaft konstruieren wie ein Haus, und das Fundament bilden nun mal der Goalie und die Abwehr», erläutert Schenk.
Schweizer mit hoher Effizienz im Abschluss sind rar, daher wird auf dem internationalen Markt trotzdem vorwiegend nach Angreifern Ausschau gehalten. Bei den zwölf helvetischen NLA-Klubs stehen derzeit 46 Stürmer, 13 Verteidiger und 3 Torhüter mit Ausländerlizenz unter Vertrag, wobei die Goalies als «Versicherung» und nicht als Stammspieler verpflichtet wurden.
Rund 35 Prozent der Punkte
Auf dem Matchblatt figurieren pro Klub jeweils maximal 22 Namen, nur 4 der Akteure dürfen eine Ausländerlizenz haben. Trotzdem sorgen die Fremdarbeiter in der NLA für mehr als ein Drittel der Skorerpunkte; in den letzten Jahren hat sich der Wert bei ungefähr 35 Prozent eingependelt. Es lässt sich freilich keine Gleichung wie «mehr Ausländerpunkte bedeuten mehr Siege» aufstellen.
Die ZSC Lions verfügen in der Breite seit geraumer Zeit über das qualitativ beste Kader; so wurden sie in der Saison 2013/2014 Qualifikationssieger und Meister, obwohl ihre Importspieler nur für 20,7 Prozent der Skorerpunkte verantwortlich zeichneten. Bei Ambri-Piotta hingegen buchten die Ausländer in diesem Winter über 40 Prozent aller Zähler, dennoch belegte Ambri den letzten Platz.
Die Schweiz ist für Eishockeyprofis aus aller Herren Ländern äusserst attraktiv. Das Niveau der NLA ist gut, der Lebensstandard ausgesprochen hoch, zudem werden hier ausserhalb der NHL und der KHL die höchsten Saläre bezahlt. Einzig Russen lassen sich aufgrund der Konkurrenz der KHL kaum noch verpflichten.
Einst war es ein Trend, dass die Klubs möglichst viele Akteure aus demselben Land beschäftigten – entsprechend ihrer Philosophie. Heute ist die Durchmischung grösser. «Früher waren es zwei Hockeywelten, nun gibt es auch viele Russen, die checken können, und viele Kanadier, die dribbeln können», erläutert Simon Schenk. Die Globalisierung hat zudem die Integration der Ausländer erleichtert.
Die meisten Eishockeyprofis sprechen Englisch; es ist also kein Problem mehr, einen Schweizer, einen Kanadier und einen Tschechen in einer Linie zu vereinigen. Trotzdem kommt im helvetischen Eishockey nicht jeder gut zurecht, unabhängig von seiner Klasse und den Meriten in anderen Ligen. «Die Verpflichtung eines Ausländers ist eine Lotterie. Du kannst noch so lange Statistiken und Videos studieren – eine Garantie, dass einer hier brilliert, hast du nie», sagt Jan Alston.
Die Rolle der Nachzügler
Starke Ausländer sind schon in der Qualifikation wichtig, gerade für die Spitzenklubs ist aber entscheidend, dass sie in den Playoffs noch eine Schippe drauflegen können, so wie es beim SCB vor Jahresfrist Goalie Jakub Stepanek und den Centern Andrew Ebbett sowie Derek Roy gelang. Die meisten Vereine haben für die finale Phase der Meisterschaft noch einen oder zwei Fremdarbeiter geholt.
Weil der Markt nicht mehr viel hergibt, lassen sich kurz vor Schliessung des Transferfensters allerdings nur selten Trouvaillen finden. Es geht vielmehr darum, bei Verletzungen, Sperren und akuten Formschwächen über Alternativen zu verfügen. Allerdings muss der Sportchef danach trachten, durch die Nachzügler das Gleichgewicht im Team nicht zu stören. Reto Kläy meint daher: «Wichtig ist, dass der Neue seine Rolle kennt und kein Störfaktor ist.»
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