Standpunkt: Warum nicht Kaenzig neben Niedermaier?
Die Aussagen der Investoren Benno Oertig und Andy Rihs lassen keinen Zweifel daran, dass es ihnen nebst Respekt vor Stefan Niedermaier vor allem an zwei Dingen mangelt: Fachwissen und Realismus. Ein Standpunkt von BZ-Sportjournalist Fabian Ruch.
Ist YB ein zukünftiger Champions-League-Sieger? Bewegt sich der Berner Verein in seiner «20 bis 30 Jahre langen Hochphase» bald auf Augenhöhe mit Bayern München und Real Madrid, Inter Mailand und Manchester United? Die Aussagen der Investoren Benno Oertig und Andy Rihs lassen keinen Zweifel daran, dass es ihnen nebst Respekt vor Stefan Niedermaier vor allem an zwei Dingen mangelt: Fachwissen und Realismus. YB müsse in Zukunft nicht nur in der Schweiz ein Titelkandidat sein, erklärten die Investoren, und das war nur eine von zahlreichen naiven Aussagen, als sie Ilja Kaenzig vorgestern als Nachfolger Stefan Niedermaiers bei YB und im Stade de Suisse vorstellten. Natürlich befiehlt, wer zahlt, aber selten hat es eine unsinnigere Entscheidung gegeben, als den erfolgreichen, beliebten Niedermaier zu entmachten. Wie wenig Vertrauen die Geldgeber in den Verein besitzen, bewies die Tatsache, dass die gesamte (ungenügende) Kommunikation am Montag von einer externen Firma durchgeführt wurde. Die Agentur Contractmedia ist ein Spezialist für Krisen und heikle Fälle, und so gesehen passt das ja ganz gut – denn die Absetzung Niedermaiers ist vor allem eine kolossale Fehlentscheidung.
Ein Mitglied der Stadionbesitzer, Fritz Bösch, war in den unschönen Vorgang gar nicht erst involviert. Und wie unbedarft die Stadionbesitzer ihren Entscheid fällten, beweist auch die Tatsache, dass sie allen Ernstes dachten, sie würden allenthalben gefeiert werden, weil es ihnen gelang, den Fussballfachmann Ilja Kaenzig zu verpflichten. Kaenzig jedenfalls ist kein grosser Vorwurf zu machen. Der «Blick»-Sportchef hat ein interessantes Jobangebot erhalten und die Gelegenheit gepackt, nach teilweise missglückten Engagements wieder im Fussballbusiness tätig zu sein. Er steht jetzt unter Druck, sein Leistungsausweis wird durchaus kontrovers beurteilt. Aber: Er hat auf jeden Fall eine faire Chance verdient. Und wenn der frühere Leverkusen- und Hannover-Geschäftsführer sagt, YB-Trainer Vladimir Petkovic besitze Qualitäten, brauche aber natürlich Erfolg, so gilt das noch viel mehr für ihn. Bereits in seinen ersten Stunden als neuer starker Mann im Stade de Suisse hat Kaenzig unter Beweis gestellt, dass er die Aufgabe nicht unterschätzt. Er hat zum Beispiel den Kontakt zu den entsetzten Fans gesucht und ist mit seinen ausserordentlichen Szenekenntnissen sicher ein Gewinn.