Spektakel und Stille
Die Fête des Vignerons wird gigantisch, während das pittoreske Weingebiet Lavaux angenehme Ruhe ausstrahlt.

Grösser, teurer, sinnlicher, spektakulärer: Die diesjährige Fête des Vignerons in Vevey VD wird alle vergangenen Winzerfeste in den Schatten stellen. Beim 25 Tage andauernden Fest zu Ehren der Lavaux-Weinbauern wirken 5500 Schauspielerinnen, Tänzer, Musiker und Sänger mit.
Die Fête des Vignerons ist eine jahrhundertealte Tradition. 1797 feierte sie Premiere. 222 Jahre später erwartet das 19'500 Einwohner zählende Vevey eine Million Festbesucher. 20'000 Plätze hat die Theaterarena, der Brennpunkt des Geschehens. «Die Zuschauer in der obersten Reihe sitzen 20 Meter über dem Boden», sagt Ingenieur Daniel Willi, der Erbauer der Arena, bei einem Rundgang stolz.
Es herrscht eine Atmosphäre wie in einem leeren Fussballstadion. Allein die Hauptbühne ist 1200 Quadratmeter gross. Integriert in die Zuschauerränge, gibt es vier weitere, kleinere Bühnen. Willi verspricht: «Jeder Zuschauer, egal auf welchem Platz er sitzt, sieht das Spektakel genau gleich gut.»
Multimediales Spektakel
Doch die grossen Massen anziehen soll vor allem das Programm ausserhalb der Arena. Die Organisatoren, die Confrérie des Vignerons de Vevey, haben es deutlich ausgebaut. Die Confrérie hat für diesen Sommer sämtliche Kantone ans Fest nach Vevey eingeladen. Jeder einzelne Kanton bekommt seinen eigenen Feiertag. Zehntausende Deutsch- und Auslandschweizer werden erwartet.
Der Gigantismus des Winzerfestes passt zur modernen Eventkultur mit internationaler Ausstrahlung. Die Fête des Vignerons braucht die Massen, um das stolze Budget von 100 Millionen Franken decken zu können. Insbesondere die neueste Bühnentechnik kostet viel Geld – und wird für das multimediale Spektakel auch zwingend gebraucht. Und Confrérie-Mitglied Blaise Duboux ist sicher: «Das Publikum erwartet diese Infrastruktur. Das ist heutzutage Standard für Veranstaltungen dieser Grösse, sonst wären die Leute enttäuscht.»
Aber die schiere Wucht des diesjährigen Anlasses passt so gar nicht zum sonstigen Habitus des Weingebiets Lavaux, der Region zwischen Lausanne und Montreux. In diese Gegend will man eigentlich keine Touristenmassen schleusen, weil sie so gar nicht in die pittoresken Dörfchen Cully, Lutry oder Pully entlang des Genfersees passen; und auch nicht in die kleinen, verschlungenen Wege und Pfade.
Das 800 Hektaren grosse, terrassenförmig angelegte Weingebiet gehört seit 2007 zum Unesco-Welterbe. Der typische Gast ist an Ruhe und Beschaulichkeit, guten Weinen, gutem Essen und einer intakten Natur interessiert. So kann es auf Wochenendspaziergängen zwischen den Weinterrassen des Lavaux durchaus vorkommen, dass man selbst bei schönstem Wetter nur einer Handvoll Leute begegnet.
Von den Dörfern Lutry und Cully am See bringt der Lavaux-Express, eine Art Kindererlebniszug, die Touristen nach oben in die Rebhänge. Restaurants oder Weinbars gibt es in den Weindörfchen wie Saint-Saphorin, Epesses, Riex, Villette oder Grandvaux zwar vereinzelt, aber nur mit eingeschränkten Öffnungszeiten.
Klingeln und degustieren
Die meisten Winzer gelten als eher scheu, aber liebenswürdig. Man muss sie oft buchstäblich aus ihren Kellern locken. Ihre Häuser sind wegen der grossen, farbig gestalteten Schilder einfach zu finden. Besucher dürfen fast überall spontan klingeln und um eine Degustation bitten. Ist der Winzer oder ein Familienmitglied zu Hause, wird der Gast in den Weinkeller geführt, und der Hausherr erzählt vor Weinfässern aus französischer Eiche oder Tanks aus Edelstahl stolz von seiner Arbeit und seinen Produkten. Und selbstverständlich können die Weine ausgiebig gekostet werden.
Die Weinbauern des Lavaux sind in den letzten Jahren beim Anbau vielseitiger geworden. Natürlich vertrauen die meisten weiterhin auf den klassischen Chasselas. Doch heute werden im Lavaux auch Traubensorten wie Chardonnay und Pinot noir gehegt. Als die besten Weine gelten im Übrigen jene aus den steil abfallenden Anbauzonen Dézaley und Epesses. «Je nach Gefälle und Boden ist der Mineralgehalt sehr unterschiedlich, und die Weine sind es auch», führt Winzer Jean-François Potterat in seinem Keller in Cully aus. «Die letzten heissen, trockenen Sommer bescherten uns Spitzenjahrgänge.»
Kein Zufall, dass das Weinerlebniszentrum Vinorama nicht mitten in den Rebhängen, sondern im Dörfchen Rivaz, am Fuss des Lavaux, an der Seestrasse, eingerichtet wurde. Die meisten Touristen reisen noch immer über die breite Strasse zwischen Lausanne und Vevey an. Und ein Besuch des Vinorama lohnt sich. Es verspricht, sämtliche Weine aller Winzer des gesamten Anbaugebiets an Lager zu haben. 300 Provenienzen insgesamt.
Zur Lavaux-Postkartenidylle gehören auch die bis ins letzte Detail restaurierten und renovierten Raddampfer auf dem Genfersee. Am schönsten sind die sommerlichen Dampfschifffahrten zu später Stunde, bei untergehender Sonne, auf der Strecke von Château Chillon in Richtung Lausanne. Beim Vorbeifahren vor den Terrassen des Weinbergs entdeckt man plötzlich Formen und Farben, die man zwischen den Reben stehend unmöglich entdecken kann.
Entstaubte Museen
Die Weinterrassen des Lavaux und die in den Hängen verstreuten Weindörfer sind bestimmt die prächtigste Attraktion der Region Vevey – und daher zu Recht ins Unesco-Welterbe eingeschrieben.
Zudem ist in den letzten Jahren in Vevey und Umgebung die Museenlandschaft kräftig gewachsen und entstaubt worden. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat sein Alimentarium, ein Museum für Essen und Ernährung, neu konzipiert und darin auch ein schmuckes Café eingerichtet. Im neu errichteten, interaktiven Museum Nest stellt sich der Konzern selber aus und blickt auf seine Anfänge zurück.
Der neue Star unter den regionalen Museen mit nationaler Ausstrahlung ist die über der Stadt gelegene Chaplin's World. Im ehemaligen Haus von Charles Chaplin eingerichtet, widmet sich das Museum der Familiengeschichte, dem Privatleben und dem künstlerischen Schaffen des in Vevey verstorbenen Filmstars.
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