Die Bellucci ist in «Spectre» fünf Minuten zu sehen. Genug Zeit, um Bond ganz nahe zu kommen.
Sie sind das älteste Bond-Girl der Geschichte! Ich bevorzuge den Ausdruck Bond-Lady. Als Regisseur Sam Mendes mich anfragte, dachte ich zuerst, er wolle mich als Nachfolgerin von Judi Dench als M. «Was soll ich mit meinen 51 Jahren bei Bond?», fragte ich ihn.
Was antwortete er? Ich soll Bond verführen! Das hat mir gefallen. Bond küsst zum ersten Mal eine Lady, die älter ist als er. Das ist eine Provokation. Ich musste laut rauslachen.
Die Szene ist nur kurz. Das hat mir gefallen. Natürlich will man immer die grossen Rollen spielen. Aber diese fünf Minuten im riesigen Spektakel wirken wie ein kleiner Film für sich.
Haben Sie früher von Bond geträumt? Ich wurde sogar schon angefragt, mitzumachen, aber es ergab sich nie konkret. Zum Glück. Wenn ich mit 30 ein Bond-Girl gespielt hätte, wäre das nichts Besonderes gewesen. Jetzt schon. Von Bond geträumt habe ich immer. Das tut doch jede Schauspielerin.
Aber die Bond-Girls sind doch oft nur passive Sexualobjekte. Schon. Aber gleichzeitig ist ihre Weiblichkeit so stark, dass sie jeden umhaut. Das ging mir sogar durch den Kopf, als ich mit Daniel Craig meine Szene drehte.
Beim Drehen? Ja. Ich habe ja so viele James-Bond-Filme gesehen. Und plötzlich stehe ich dem Mann gegenüber. Der schaut tief in meine Augen und sagt tatsächlich: «Mein Name ist Bond, James Bond.» Ich wusste nicht, ob ich lachen oder küssen soll.
Denken Sie, es wird sich etwas ändern, mit einer Bond-Lady? Bond wird moderner. Verführt nicht mehr nur junge, dumme Blondchen. Das könnte durchaus Signalwirkung haben.
In Hollywood werden Liebespaare immer noch gern mit alten Stars und jungen Frauen besetzt. Man darf nicht alles in einen Topf werfen. Es gibt ältere Schauspielerinnen wie Judi Dench, Helen Mirren oder Catherine Deneuve, die grossartige Karrieren haben, auch in Hollywood. Aber selbstverständlich ist das Filmgeschäft immer noch eine Männerwelt. Schönheit ist alles. Dagegen habe ich nicht einmal etwas einzuwenden, ich schaue auch zu meinem Äussern, ich mag auch High Heels, roten Lippenstift und elegante Kleider. Aber ich will auch respektiert werden, nicht nur auf mein Äusseres reduziert. Ich hoffe, da ändert sich tatsächlich etwas.
Könnte James Bond in Zukunft von einer Frau gespielt werden? Vielleicht wäre das eine lustige Idee. Aber wir müssen nicht um jeden Preis die Männer aus ihren Rollen drängen. Ich liebe Männer. Und ich liebe Frauen. Wir sollten einfach das richtige Gleichgewicht finden. Das ist schwierig. Und es ist nicht damit getan, dass Frauen jetzt auch rumballern und den Macho machen.
Apropos Macho – gefällt Ihnen Daniel Craig als Bond? Er ist grossartig, er hat so viele Elemente als Schauspieler. Und Regisseur Sam Mendes kann alles aus uns Darstellern rausholen, als ob wir ein Piano wären – ding, ding, ding. Erst diese Note, dann diese, dann noch eine andere dazu. Einmal killt Bond, dann küsst er, dann ist er knallhart. Aber er ist auch romantisch, vielleicht das erste Mal in seiner ganzen Karriere. Und er hat diesen Todesinstinkt, was ihn menschlich macht. Craig ist ein idealer, moderner Bond.
Ist «Spectre» sein letzter Auftritt in der Rolle? Keine Ahnung. Das hat er mir nicht ins Ohr geflüstert in unserer Liebesszene.
Mit Monica Bellucci sprach Matthias Lerf