Spardiskussion, Eurobonds und dann auch noch die Schäuble-Frage
Beim EU-Sondergipfel vom Mittwoch ist Streit vorprogrammiert. Den meisten Sprengstoff bergen die gemeinsamen Schuldscheine der Eurostaaten.

Am Mittwochabend dürfte das Essen auf den Politiker-Tellern schnell kalt werden: Dann legen die 27 Staats- und Regierungschefs der EU beim gemeinsamen Dinner in Brüssel ihre Ideen auf den Tisch, wie Europa am besten aus der Schuldenkrise kommen soll. Es geht um den klügsten Weg zu mehr Wachstum, umstrittene Instrumente wie Eurobonds, den Poker um europäische Spitzenämter und die Genesung des griechischen Patienten. Beschlüsse werden dabei wohl nicht gefasst - das bleibt dem regulären EU-Gipfel Ende Juni vorbehalten.
Dass keine Entscheidungen zu erwarten sind, liegt indes nicht am mangelnden Druck: Ob Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien - vor allem die südlichen Volkswirtschaften der EU liegen am Boden, die halbe Eurozone ist in der Rezession. Seit Monaten tüfteln EU-Kommission, Finanzminister und Hauptstädte an einem Wachstumspakt. Wie genau der Sturz in den wirtschaftlichen Abgrund verhindert werden soll, darüber gehen die Meinungen aber auseinander.
Rom und Madrid wollen die Haushaltsregeln lockern, um mehr Luft für Investitionen zu haben. Brüssel stellte bereits eine «intelligente» Anwendung des Stabilitätspaktes in Aussicht: Wer ein glaubwürdiges Reformprogramm umsetzt, der könnte mehr Zeit erhalten, das Defizitziel von drei Prozent zu erreichen - tapfere Sparer sollen also nicht noch durch Geldbussen doppelt bestraft werden. Berlin lehnt dies bislang ab und dringt vor allem auf angebotsorientierte Strukturreformen. Dazu gehören eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes, niedrigere Produktionskosten und Rentenreformen.
Sprengfalle Eurobonds
Eher wenig konfliktträchtig erscheint die Kapitalaufstockung für die Europäische Investitionsbank um zehn Milliarden Euro. Auch die von Brüssel seit langem beworbenen Projektanleihen dürften keinen Streit mehr am Essenstisch auslösen. Beide Vorschläge zielen darauf ab, die Konjunktur durch günstige Kredite an Privatinvestoren anzukurbeln, zum Beispiel für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte. Möglich scheint auch, dass nicht ausgeschöpfte EU-Strukturmittel umgewidmet werden, um Wachstums- und Beschäftigungsimpulse zu setzen.
Darüber hinaus liesse sich durch eine neue Abgabe auf Finanzgeschäfte zusätzlich Geld auftreiben, allerdings sind mehrere Länder gegen eine umfassende Besteuerung der Branche, insbesondere Grossbritannien.
Den meisten Sprengstoff bergen die sogenannten Eurobonds, gemeinsame Schuldscheine der Staaten im Währungsraum. Bislang ein Tabu, hält sie Frankreichs Präsident François Hollande für das ideale Mittel, um Europas Wachstum anzukurbeln - und bekommt dafür Rückendeckung von Rom über Madrid bis hin zur EU-Kommission. Die Idee dahinter: Bürgten die Euro-Staaten mit ihrer geballten Bonität für Kredite, kämen Sorgenkinder wie Spanien und Italien deutlich günstiger an frisches Geld und könnten mit Investitionen die Konjunktur ankurbeln.
Paris senkt Daumen für Eurogruppen-Chef Schäuble
Die Bundesregierung lehnt derartige Stützen auf Pump kategorisch ab. Schliesslich kann Deutschland als Lieblingskind der Ratingagenturen und Investoren seine Anleihen derzeit fast zum Nulltarif auf den Kapitalmärkten ausreichen. Springt man dagegen mit den Krisenstaaten in einen Topf namens Eurobonds, würden die Zinsen für neue Kredite deutlich steigen. Im Klartext: Berlin würde Milliarden draufzahlen, dafür erhielten Madrid und Rom wieder akzeptable Konditionen.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das ein No-Go. Die CDU-Chefin fürchtet nicht nur die teure Refinanzierung neuer Kredite, sondern auch um die Haushaltsdisziplin der Schuldenstaaten. Wer soll denn noch knallharten Sparprogrammen folgen, so fragt man sich im Kanzleramt, wenn grosszügige Ausgabenpolitik nicht mehr durch schwindende Kreditwürdigkeit bestraft wird? Die Fronten in Sachen Eurobonds sind also verhärtet, Kompromisse vorerst nicht zu erwarten.
Und dann wäre da noch die Personalfrage, oder besser: das Postengeschacher. Mindestens drei Spitzenposten der EU-Finanzwelt gilt es in den kommenden Wochen zu besetzen. Zuvorderst den des Eurogruppen-Vorsitzenden Jean-Claude Juncker, der Mitte Juli aus dem Amt scheidet. Als Favorit für seine Nachfolge gilt seit Wochen Merkels treuer Parteisoldat Wolfgang Schäuble. Frankreich hegt jedoch Vorbehalte gegen den Bundesfinanzminister, will Berichten zufolge keinen Deutschen an der Spitze des mächtigen Gremiums sehen.
Ringen um Spitzenposten und Griechenlands Zukunft
Klein beigeben dürfte Paris nur, wenn sich die Bundesregierung in Sachen Eurobonds bewegt - oder zumindest ein anderer attraktiver Posten abfällt. Ein Platz im EZB-Direktorium wird zum Juni frei, er sollte eigentlich, muss aber nicht vom Luxemburger Notenbankchef Yves Mersch besetzt werden. Auch der permanente Rettungsschirm ESM will ab Juli geführt sein, hierfür schickt Spanien bereits die Spitzenbeamtin Belén Romana García ins Rennen. Kommt statt ihr nun ein Franzose zum Zug? Die Aussichten des Deutschen Klaus Regling, Leiter des befristeten ESM-Vorläufers EFSF, schwinden jedenfalls.
War's das? Nein, auch über die Lage in Griechenland werden sich die Staatenlenker in Brüssel den Kopf zerbrechen. Wie geht es weiter in Athen, wird das Sparpaket entgegen aller Beteuerungen vielleicht doch ein wenig lockerer geschnürt oder bleiben die internationalen Partner hart - und nehmen möglicherweise sogar in Kauf, dass sich die Hellenen vom Euro verabschieden?
Offiziell wird am Mittwoch weder über diese noch über andere Fragen entschieden. An einigen Stellen dürften die Fronten aber zumindest etwas aufgeweicht werden - damit die Staatenlenker Ende Juni, wenn es wirklich ernst wird, nicht mehr ganz so hartes Brot zu knabbern haben.
dapd/kle
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch