Sozialist Rama kann auf absolute Mehrheit hoffen
Die Sozialisten unter Regierungschef Edi Rama haben am Sonntag die Parlamentswahl in Albanien gewonnen. Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt.
Die Sozialisten unter Regierungschef Edi Rama haben am Sonntag die Parlamentswahl in Albanien gewonnen. Sie könnten im Parlament mit einer absoluten Mehrheit von 73 der 140 Sitzen rechnen.
Dies berichtete die staatliche Wahlkommission am Montagnachmittag in Tirana nach Auszählung der Hälfte der abgegebenen Stimmen. Die oppositionellen Demokraten unter Führung von Lulzim Basha kamen danach auf 43 Abgeordnete, die LSI-Partei - bisher Juniorpartner der sozialistischen Regierung – wurde mit 19 Sitzen drittstärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 46 Prozent einen historischen Minusrekord.
Enttäuschte Bürger
Die Wähler in Albanien haben den Parteien mit ihrem Wahlboykott einen Denkzettel verpasst. Die Sozialisten wollen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft umkrempeln. Es dürfte ein letzter Reformversuch sein.
Die schleppende Auszählung der Stimmen nach der Parlamentswahl in Albanien ist symptomatisch für die Probleme des Balkanlandes: Selbst 18 Stunden nach Schliessung der Wahllokale hat die staatliche Wahlkommission heute noch nicht einmal die Hälfte der nur 1,8 Millionen Stimmen ausgezählt.
Deutlich mehr als die Hälfte der 3,5 Millionen Wahlberechtigten hat aus Frust über die als unfähig und korrupt gesehenen Parteien erst gar nicht abgestimmt. «Die Parteien haben heute die Bürger verloren», sagt Malinda Keta von den siegreichen Sozialisten. Die Kommentatoren sind sich durch die Bank einig: «Das ist eine schallende Ohrfeige für die Politiker.»
Journalismusprofessor Ervin Goci, ein bekennender Nichtwähler, erklärt in Tirana den weitgehenden Wahlboykott so: «Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den Parteien, die in einem korrupten System alle nur für ihre Funktionäre sorgen und sich nicht um das Wohl des ganzen Landes kümmern wollen.»
Wenig Lohn und viel Korruption
Und da gäbe es einiges zu tun. Der Durchschnittsverdienst in einem der ärmsten Länder Europas beträgt nur magere 340 Euro im Monat. Das Justizsystem gilt als politisch gelenkt, die Medien ebenso. Die Korruption regiert von der lokalen bis auf die nationale Ebene.
Die Organisierte Kriminalität gewinnt immer mehr Einfluss auf viele Lebensbereiche. Der illegale Cannabisanbau weitet sich noch aus, obwohl doch alle ihn angeblich bekämpfen.
Von den 4,1 Millionen Einwohnern leben 1,2 Millionen dauerhaft im Ausland. Und nach der neuesten Umfrage wollen auch die meisten verbliebenen Bürger wegen der sozialen und wirtschaftlichen Misere nur weg: 56 Prozent würden lieber heute als morgen gehen – die meisten nach Deutschland.
Die Situation ist so verfahren, dass niemand so richtig weiss, wo man anfangen muss, um die Lage zu verbessern. In vielen Debatten wird die Reform des Bildungssystems als Ausgangspunkt bezeichnet – aber das kann viele Jahre dauern.
Sozialistenchef Edi Rama, seit 2013 Ministerpräsident, behauptet, bisher sei er vom Juniorpartner in der Regierung in seinem Reformeifer gebremst worden. Die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) habe sich als «Königsmacherin» in der Vergangenheit ihre Hilfe teuer bezahlen lassen. Ihre Mitglieder hätten grosse Teile der Staatsverwaltung und Wirtschaft wie private Pfründe in Besitz genommen.
Regierung ohne Koalitionspartner
Daher war es Ramas erklärtes Wahlziel, ohne Koalitionspartner allein die Regierung bilden zu können. Dieser Wunsch könnte mit der sozialistischen Mehrheit im Parlament aufgehen.
Er wolle all die Reformen umsetzen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder angekündigt, aber dann doch im Sumpf der Korruption steckengeblieben waren. Ob der Spitzenpolitiker dazu wirklich den Willen und vor allem die Macht hat, bezweifeln seine Kritiker.
Sollte es am Ende bei einer nur knappen Parlamentsmehrheit für die Sozialisten bleiben, droht Ramas Reformschwung schnell zu erlahmen. Denn nach den bisherigen Erfahrungen steht zu befürchten, dass dann der eine oder andere Abgeordnete von der Opposition regelrecht gekauft wird. Dann wäre die schöne Reformmehrheit schon wieder dahin.
AFP/mch
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch