Sozialhilfestopp: Ängste waren unbegründet
Seit Anfang Jahr bekommen abgewiesene Asylbewerber nur noch Nothilfe. Entgegen den Schwarzmalereien funktioniert das System. Im Zürcher Sozialamt ist man positiv überrascht.
Gross war die Aufregung und düster die Prophezeiung. Verweigere der Staat abgewiesenen Asylbewerbern die Sozialhilfe, treibe er sie in die Illegalität und provoziere soziale Spannungen. Nicht nur das: Die Kriminalität in den Städten werde steigen, urteilten die Kritiker des neuen Asyl- und Ausländerrechts.
Seit 1. Januar gilt das Regime Not- statt Sozialhilfe für abgewiesene Asylbewerber. Und so umstritten der Sozialhilfestopp war, so ruhig ist es um ihn geworden. Ein äusseres Zeichen, dass das System nicht zu grösseren Klagen Anlass gibt.
Die Sozialdemokratin Kathrin Hilber, St. Galler Regierungsrätin und Präsidentin der kantonalen Sozialdirektoren, stellt jedenfalls Erfreuliches fest: «Trotz Ängsten im Vorfeld: Das System etabliert sich in der Praxis. Es sind keine grösseren Probleme aufgetaucht. Es läuft nichts wirklich schief.» Die Zahl der Nothilfebezüger sei «nicht alarmierend». Und es sei auch kein Einfluss des Sozialhilfestopps auf die Kriminalität ersichtlich. Die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen und dem Bund, so Hilber, funktioniere bestens. Dass die Kantone auch einen Teil der Kosten mittragen müssten, «das haben nun alle geschluckt». Nähmen die Kosten für die Nothilfe aber plötzlich stark zu, lasse der Bund mit sich reden. So sei es vereinbart.
«Es sieht gut aus»
Positiv urteilt auch Ruedi Hofstetter, Leiter des Sozialamts im Kanton Zürich: «Die Entwicklung ist für uns überraschend und erfreulich; es sieht gut aus. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Zahl der Nothilfebezüger so rasch zurückgeht.»
In Zürich hatte man für Anfang Jahr mit 1400 abgewiesenen Asylbewerbern gerechnet, die Nothilfe beziehen. Tatsächlich waren es im Januar 1200. Nun hat sich ihre Zahl gemäss Hofstetter bereits halbiert. Rechnet man jene Asylsuchenden mit einem Nichteintretensentscheid (NEE), einem Entscheid ohne langes Asylverfahren, hinzu, beläuft sich die Zahl auf 900. Für Menschen mit einem NEE gilt der Sozialhilfestopp schon seit 2004.
Es ist den Kantonen und Gemeinden überlassen, was sie den Betroffenen an Nothilfe genau zur Verfügung stellen. Im Kanton Zürich sind es Migros-Gutscheine - 10 Franken pro Tag - und ein Bett in einem Zentrum. Es liegt auch im Ermessen der Kantone, bei einzelnen Personen oder Familien vom Sozialhilfestopp abzusehen. Man beurteile jeden Fall einzeln, sagt Hofstetter. «Personen mit psychischen und physischen Schwierigkeiten bekommen von uns nach wie vor dieselben Leistungen wie bisher.» Im Kanton Zürich betrifft das laut Hofstetter 314 Personen. Sie leben weiterhin in den Gemeinden. Familien, so der Sozialamtsleiter, seien sehr wenige in der Nothilfe.
Der Kanton Bern ist erst seit ein paar Wochen daran, den Sozialhilfestopp umzusetzen. Man habe zunächst die Infrastruktur für die Nothilfe aufbauen müssen, begründet Florian Düblin die halbjährige Verzögerung. Erfahrung hat auch Bern dagegen mit dem seit mehr als vier Jahren geltenden Sozialhilfestopp bei Asylsuchenden mit einem NEE.
Es zeigt sich überall in der Schweiz, dass eine gewisse Anzahl von Ausländern Nothilfe als dauerhafte Unterstützung während Jahren beziehen. Die Nothilfe ist zwar nur als kurzfristige Überbrückung gedacht, doch in den Kantonen scheint man sich mit dem Phänomen der Langzeitbezüger zu arrangieren. Weil die Rückreise in die Heimat mitunter nicht zumutbar ist, bleibt den Kantonen oft gar nichts anderes übrig. Die Nothilfe ist gerade für junge Männer aus Afrika immer noch attraktiver als ein Leben zu Hause. «Um alle aus der Nothilfe zu bringen», sagt Florian Düblin, «müsste man unter den Standard gehen, der diese Menschen im Heimatstaat erwarten würde. Aber das verbietet uns die Verfassung.»
Wo gehen sie hin?
Cornelia Breitschmid vom Sozialdienst Aargau rechnet auch unter den abgewiesenen Asylbewerbern mit Langzeitbezügern. Obwohl das dem Ziel des Gesetzes widerspreche: «Wir haben uns daran gewöhnt, dass einige sich hier installiert haben und Nothilfe beziehen. Ansonsten meldet auch Breitschmid: «Das neue Regime funktioniert. Es ist ruhig.»
Die Flüchtlingshilfe hat noch keine Übersicht über das Nothilfe-Regime seit Anfang Jahr. «Wir sind daran, einen Bericht zu schreiben, der im Herbst vorliegen soll», sagt Yann Golay.
Unklar bleibt in allen Fällen, wohin jene abgewiesenen Asylbewerber gehen, die nicht Nothilfe beziehen. Einige tauchen unter und versuchen sich als Papierlose durchzuschlagen. Mit allen Schwierigkeiten, die ein solches Leben mit sich bringt.
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