Sozialdienste wehren sich gegen Sparpläne
Der Verband der Berner Sozialdienste wehrt sich gegen weitere Sparmassnahmen in der Sozialhilfe. Die Forderungen der Motion Studer seien längst erfüllt, sagt Co-Präsident Daniel Bock.

Seit über vier Jahren beschäftigt sie Politiker, Verwaltung und Fachpersonen: die «Motion Studer». 2013 wurde der Vorstoss aus der Feder des ehemaligen SVP-Grossrats Ueli Studer (Niederscherli) vom Kantonsparlament überwiesen, seither beisst sich die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) an dessen Umsetzung die Zähne aus.
Die Motion verlangt unter anderem eine zehnprozentige Kürzung der Sozialhilfe unter die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Mittlerweile ist eine dritte Vorlage für die notwendige Revision des Sozialhilfegesetzes in Arbeit. Und wie bereits die vorangehenden zwei erntet auch die aktuelle Version heftige Kritik.
Im Hinblick auf die bevorstehende Grossratsdebatte wandte sich gestern nun die Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE) an die Öffentlichkeit. Der Verband vertritt die Berner Sozialdienste und stellt sich auf den Standpunkt, dass die Motion längst erfüllt ist. Deshalb lehnt die BKSE die von SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg vorgeschlagene Umsetzung ab. Dieser will den Grundbedarf generell um zehn Prozent unter die Skos-Richtlinien senken. Dafür sollen die Integrationszulagen und der Einkommensfreibetrag wieder erhöht und so die ebenfalls in der Motion geforderten Anreize geschaffen werden.
«Sparziel längst erfüllt»
Gemäss dem Regierungsrat müssen jährlich 22 Millionen Franken eingespart werden, um die finanziellen Forderungen der Motion zu erfüllen. «Dieser Betrag wurde durch diverse Massnahmen bereits übertroffen», sagt Daniel Bock, Co-Präsident des BKSE.
Das zeigten Zahlen der GEF, welche der Verband analysiert hat. Gesamthaft seien seit 2013 zwischen 28 und 30 Millionen Franken pro Jahr eingespart worden, etwa mit einer Reduktion der situationsbedingten Leistungen oder einem Verzicht auf die Teuerungsanpassung. «Hinzu kommen die Sanktionsmöglichkeiten mit den neuen Skos-Richtlinien.» Es sei deshalb unverständlich, dass sich Schnegg bei seiner Vorlage nach wie vor auf die Motion Studer berufe. «Es gibt keinen Auftrag für zusätzliche Sparmassnahmen.»
«Nicht menschenwürdig»
Derselben Meinung war auch schon Schneggs Vorgänger Philippe Perrenoud (SP). Vor seinem Rücktritt teilte er im April 2016 mit, dass die finanziellen Forderungen der Motion erfüllt seien.
Der amtierende Gesundheitsdirektor sieht die Sache allerdings anders. Anscheinend gebe es hier ein unterschiedliches Verständnis davon, was Einsparungen seien, teilt Schnegg mit. Massgebend für ihn seien die Gesamtkosten für die Sozialhilfe. Und auch wenn diese seit einigen Jahren nicht mehr so stark steigen, habe es höchstens eine Stabilisierung gegeben. «Eine Senkung der Sozialhilfekosten ist keineswegs festzustellen», so Schnegg. Mit den neuen Kürzungen will er nun zwischen 15 und 25 Millionen Franken sparen.
Der BKSE seinerseits stellt nicht in Abrede, dass die absoluten Zahlen zugenommen haben. «Dies ist aber vor allem auf die Bevölkerungszunahme zurückzuführen», sagte Vorstandsmitglied Thomas Michel. Ein weiterer Grund sei auch, dass heute weniger Menschen eine IV-Rente bekämen und dann in der Sozialhilfe landeten. Der einzelne Bezüger würde aber aufgrund der erfolgten Kürzungen weniger erhalten als früher. Aus Sicht der BKSE würde der Kanton mit den neuerlichen Massnahmen den ursprünglichen Auftrag weit übertreffen und statt 22 Millionen Franken rund 50 Millionen Franken einsparen. «Das ist nicht menschenwürdig», so Bock.
Studie zu Anreizen in Arbeit
Sparen beim Grundbedarf ist für den Verband zudem der falsche Ansatz. Dieser sei kein Kostentreiber. Die Kostensteigerungen ergäben sich vor allem wegen höheren Mieten und Gesundheitskosten. Schliesslich würde eine Kürzung des Grundbedarfs besonders Kinder und Jugendliche treffen, da sie die grösste Gruppe der Sozialhilfebezüger seien. Die BKSE biete aber Hand für Optimierungsmassnahmen. Der Verband ist der Meinung, dass etwa bei den Krankenversicherungsmodellen oder durch eine zentrale Inkassostelle oder ein einheitliches Fallführungssystem Geld eingespart werden könnte.
Schliesslich setzt die BKSE auch hinter die von Schnegg angestrebten Anreize ein Fragezeichen. «Es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema», sagte Bock. Deshalb hat der Verband nun bei der Berner Fachhochschule eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Massnahmen untersucht. Die Resultate sollen im Mai vorliegen.
Egal wie diese ausfallen: Es ist fraglich, ob sich Gesundheitsdirektor Schnegg von der Position der BKSE beeinflussen lässt. Er will vorwärtsmachen und hat deshalb auch angekündigt, auf eine Vernehmlassung zur Gesetzesvorlage zu verzichten. Die SP hat aber bereits mit dem Referendum gedroht.
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