Sow ist YB
YB fliegt in dieser Saison sehr hoch. Mit vielen jungen, talentierten Spielern, die in Bern durchstarten. Und mit jeder Menge Akteuren, die Wurzeln in Afrika besitzen. Wie der 20-jährige Djibril Sow.

Man spricht im Fussball gern davon, dass ein Team jede Position doppelt besetzt habe. Es ist eine Binsenwahrheit, weil alle Kader längst mit mindestens 22 Spielern bestückt sind. Entscheidend ist die Qualität der Belegschaft, und diesbezüglich gibt es verschiedene Meinungen, wenn es um YB geht. Viele finden, im von Adi Hütter favorisierten 4-2-2-2-System habe es für jede Position eine valable Alternative. Der Trainer sieht das ein bisschen anders.
Er sagt: «Alle sprechen immer davon, wie breit und stark wir besetzt seien. Aber Tatsache ist auch, dass wir ein sehr junges Team haben mit Stammspielern, die wir von kleinen Klubs oder als Reservisten bei ausländischen Vereinen geholt haben. Das ist unser Weg.» Beispielsweise Goalie David von Ballmoos (von Winterthur), Jordan Lotomba (Lausanne), Christian Fassnacht (Thun), Djibril Sow (zweite Mannschaft Gladbach) oder Jean-Pierre Nsame (Servette).
Sows starke Steigerung
Adi Hütters Aussage ist zweideutig. Einerseits lobt er seine eigene Arbeit, ohne sie explizit zu loben. Schliesslich thront das überzeugende YB mit diesen Fussballern an der Ligaspitze und ist in allen drei Wettbewerben noch vertreten. Andererseits ist der Weg, den die Young Boys gehen, alternativlos. Sie setzen auf junge, talentierte, entwicklungsfähige Spieler, sie wollen in dieser Kategorie die erste Adresse des Landes und ein Sprungbrett ins Ausland sein. Wie der FC Basel.
Sinnbild dieser Philosophie ist in jeder Beziehung Djibril Sow. So ist YB. Seine Biografie ähnelt jener von Mitspieler Kevin Mbabu, der auch früh ins Ausland gewechselt und bei Newcastle den Durchbruch nicht realisiert hatte. Sow hat sich seit seinem Wechsel im Sommer von Gladbach zu den jungen Young Boys kontinuierlich gesteigert, am Sonntag beim 2:1 im Spitzenkampf gegen Zürich agierte er gar stilprägend. Es war sein bestes Spiel im YB-Dress. Sows Fähigkeiten sind unbestritten, er bewegte sich im Frühling bereits im Dunstkreis der Schweizer Auswahl. Aber er stagnierte in Deutschland stark.
«Ich musste mich in der Super League zuerst an intensiven Männerfussball gewöhnen», sagt Sow schmunzelnd. Zwischenzeitlich landete der 20-Jährige auf der Bank, die Positionen sind ja doppelt besetzt, aber der smarte Techniker hat sich den Bedingungen angepasst – und startet nun durch. «Wir sind selbstbewusst», sagt Sow, «davon profitieren wir Jungen.» Auf die Frage, ob er sich auf den Hexenkessel in Belgrad am Donnerstag beim Europa-League-Auftritt gegen Partizan freue, antwortet Sow entwaffnend offen: «Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich habe nicht viele solche Spiele bestritten.»
«Rest: Von Afrika»
Mit seinem bescheidenen, ruhigen, freundlichen Auftreten passt Sow perfekt zu den Young Boys, die ein bisschen das Abbild ihres Sportchefs Christoph Spycher sind: bodenständig, fleissig, fokussiert. Sie leisten sich mit Guillaume Hoarau eine Art Popstar, das muss drinliegen, mehr Extravaganzen aber gibt es kaum, sieht man von Mbabus Dreadlocks ab.
Interessanterweise begleitet das Team im Höhenflug eine Debatte, die im Internet und an den Stammtischen lustvoll verhandelt wird. Es ist ein Thema, welches 1998 auch um die französischen Weltmeister diskutiert wurde: die hohe Zahl an dunkelhäutigen Fussballern und damit verbunden die Frage, wie hoch das Identifikationspotenzial der Mannschaft sei. Es ist eine dämliche Debatte, die Welt und die Schweiz sind sehr globalisiert, und doch beschäftigt es einige Menschen. Auf Whatsapp und im Netz kursiert ein Meme, das man doof finden kann oder witzig oder rassistisch: «YB-Aufstellung – Tor: von Ballmoos. Verteidigung: von Bergen. Rest: von Afrika.»
Es ist gnadenlos überzeichnet, das haben solche Bilder an sich. Gegen Zürich vor drei Tagen standen aber total 10 dunkelhäutige YB-Akteure auf dem Platz – wäre Hoarau für Miralem Sulejmani eingewechselt worden, wären gar alle Feldspieler dunkleren Teints gewesen. In einer liberalen Stadt wie Bern kann sich kaum jemand an dieser Entwicklung stören. Die Herkunft darf keine Rolle spielen. Eigentlich. Aber es sind komplizierte Zeiten, rechte Parteien sind überall im Aufwind, ein Stück Heimatgefühl wünschen sich viele verunsicherte Menschen.
RS – mehr Schweiz geht kaum
Doch es gilt, wie oft im Leben, zu differenzieren. Mbabu zum Beispiel ist wie Lotomba Romand mit kongolesischen Wurzeln, Hoarau Franzose, Grégory Wüthrich im Steigerhubel aufgewachsen. Er spricht das reinste Stadtberndeutsch im ganzen Verein, der Vater ist aus Ghana. Sows Papa stammt aus dem Senegal, der Techniker fällt ohnehin vor allem wegen seiner Zürcher Schnauze auf. Und im Übrigen absolviert Sow gerade die Rekrutenschule, viel schweizerischer geht es nicht. Zusammen mit Michel Aebischer ist er in der Sportler-RS.
Wie letztes Jahr Denis Zakaria, der YB wie Yvon Mvogo vor ein paar Monaten für viele Millionen Franken Ablösesumme ins Ausland verliess. Zakaria und Mvogo sind dunkelhäutig – und in der Westschweiz gross geworden. Dort besitzen YB-Chefscout Stéphane Chapuisat und Ausbildungschef Gérard Castella ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz. Und auch Sow dürfte bei einem Transfer in eine Topliga irgendwann deutlich mehr als die rund 2 Millionen einbringen, die YB für ihn bezahlte.
So läuft das im Fussball, jeder Transfer ist eine Wette. Und gerade mit afrikanischstämmigen Spielern haben die Young Boys sehr gute Erfahrungen gemacht.
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