Statt NachhaltigkeitSondermüll in der Tauschbox
In der Givebox können Leute aus dem Quartier Gebrauchtes unkompliziert tauschen. Aber das funktioniert nicht immer gut.

Neulich deponierte jemand seinen Sperrmüll bei der Tauschbox im Nordring. Darunter war ein alter Ofen, der krebserregendes Asbest enthielt, und zwar in unmittelbarer Nähe eines Schulhauses. Das war zu viel. Die Tauschbox wurde geschlossen. Nun ist sie wieder offen. Der Infozettel hängt aber immer noch daran. «Die Geschenkbox ist keine Mülldeponie!», heisst es.
Eine Tauschbox ist eine Art begehbarer Schrank, in dem Menschen Dinge, die sie nicht mehr brauchen, aber auch nicht wegwerfen möchten, deponieren. Andere suchen sich aus, was sie brauchen. Die Idee stammt aus deutschen Grossstädten. Die Quartierkommission Dialog Nordquartier betreibt seit 2019 eine solche Tauschbox.
Schadstoffexperte findet Asbest
Den asbestverseuchten Ofen hat Stefan Baumann gefunden. Er ist Schadstoffexperte und wirft einen routinierten Blick in die Tauschbox. «Ich habe meine halbe Einrichtung von der Strasse mitgenommen», sagt er. In der Tauschbox gebe es immer wieder «coole» Sachen, sagt er.
Kürzlich habe er hier einen Kinderwagen gefunden. Seine Partnerin steht mit kugelrundem Babybauch daneben. Auch Babykleider und Spielzeug gebe es oft, ergänzt sie.
In einer Ecke am Boden steht ein stattliches Puppenhaus aus Holz. Es gibt Schuhe, ein paar Kleider für Erwachsene an Kleiderbügeln und vor allem Bücher. Das meiste sieht ganz brauchbar aus. Allerdings gibt es auch von Kindern Gebasteltes und eine halb volle PET-Flasche. «Leider ist die Tauschbox auch eine Entsorgungsbox», sagt Baumann. Die Kinderbasteleien würden kaum ein neues Zuhause finden.

Tatsächlich ist das Betreiben einer Tauschbox nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. «Ich musste beinahe wöchentlich die Stadt bitten, den Müll abzuholen, den die Leute in der Box entsorgt hatten», erzählt Christopher Rasmussen, Wirt des dänischen Restaurants Pusterum an der Schwarztorstrasse. Er hatte von seinen Vorgängerinnen eine Givebox übernommen. Diese hatten schon 2015 die erste Tauschbox nach Bern gebracht.
Als die Givebox vor dem Pusterum letzten Sommer von Unbekannten angezündet worden war, beschlossen Rasmussen und die Hausverwaltung, die Box nicht zu ersetzen. «Damit es funktioniert, braucht die Box viel Unterhalt», sagt Rasmussen.
Je nach Standort funktioniert es besser
Laut Verena Näf, der Präsidentin von Dialog Nordquartier, hängt das Funktionieren der Tauschbox aber auch vom Standort ab. So sei die Box etwa vom FC Breitenrain besonders gut betreut worden. Hingegen sei der stärker frequentierte Nordring auch ein stärkerer Magnet für Leute, die ihren Abfall um die Box herum entsorgen wollten.
Die mobile Tauschbox wird alle drei Monate an einen neuen Ort innerhalb des Quartiers gebracht. Dies einerseits, damit möglichst viele Menschen davon profitieren können. Andererseits sei dadurch kein aufwendiges Baubewilligungsverfahren notwendig.
Vereine und andere Institutionen können die Tauschbox im Nordquartier buchen. Vor vier Jahren hat die Stadt Bern die Tauschbox des Nordquartiers als Pilotversuch angekündigt. Bisher ist sie allerdings die einzige auf öffentlichem Grund geblieben, wie Claudia Luder vom städtischen Kompetenzzentrum öffentlicher Raum (Kora) erklärt.
«Wir unterstützen das Angebot, wenn Private oder Organisationen die Initiative ergreifen.» Im Fall des Nordrings bedeutete das, dass die Stadt hilft, Standorte auf dem öffentlichen Grund zu suchen und zu bewilligen. Bisher folgte aber noch kein anderes Quartier dem Modell von Lorraine und Breitenrain.

Am Europaplatz steht eine private Tauschbox vor dem besetzten Haus und wird augenscheinlich von den Besetzern und Besetzerinnen unterhalten. Auf einem Karton steht auch dort: «Wir wollen Deinen Abfall nicht.»
Im Länggassquartier, wo es laut Stefan Baumann die «coolsten», also brauchbarsten Dinge gibt, stellen die Leute ihre Stücke aufs Trottoir. Am Montagmorgen fanden sich dort ein Kindersitz fürs Auto, ein paar Kinderspiele, ein Bürostuhl, eine Kiste voll Kissen und zwei gerahmte Bilder.
Ganz legal ist das nicht. Aber solange die Leute bei trockenem Wetter brauchbare Dinge rausstellten und diese am Abend wieder reinholten, seien die zuständigen Kehrichtleute kulant, sagt der Leiter von Entsorgung und Recycling Bern, Christian Jordi. Die in Bern beliebten privaten «Gratis-Kisten» seien kein grosses Problem.
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