Abstimmung vom 26. SeptemberSoll der Kanton Bern bis 2050 klimaneutral werden?
Wozu braucht es einen Klimaschutzartikel in der Berner Verfassung? Die Argumente zur Abstimmung vom Sonntag nächster Woche.

Der Kanton Bern soll sich in seiner Verfassung explizit zum Klimaschutz bekennen. Das will eine breit abgestützte Mehrheit des Grossen Rats und nach einer Kehrtwende auch die Kantonsregierung. Die zuständige Parlamentskommission hat dazu einen neuen Verfassungsartikel erarbeitet. Die Stimmberechtigten können darüber am 26. September entscheiden.
Zentrales Ziel wird bei einem Volks-Ja, dass Kanton und Gemeinden bis im Jahr 2050 klimaneutral werden sollen. So dürften dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestossen werden, wie gleichzeitig abgebaut oder gespeichert werden können. Dieses Ziel folgt dem Pariser Klimaabkommen, womit die Erwärmung der Erdtemperatur auf weniger als 2 Grad begrenzt werden soll.
«Klimaschutz gehört als vorrangige Aufgabe in die Kantonsverfassung!»
Das Kantonsparlament empfiehlt, dem Klimaschutzartikel zuzustimmen. Es beschloss dies mit 98 Ja gegen 44 Nein bei 10 Enthaltungen ziemlich klar. Denn die Klimaerwärmung sei eines der grössten Probleme, deren Folgen auch den Kanton stark betreffen, argumentieren die Befürworterinnen und Befürworter. So geht der Klimaschutzartikel auf einen Vorstoss des Grünen-Grossrats Bruno Vanoni (Zollikofen) nach dem Hitzesommer 2018 zurück. Klimaschutz müsse als vorrangige Aufgabe in die Kantonsverfassung, fordert er.
Konkret wird es später
Für die Gegenseite – die SVP und die EDU haben die Nein-Parole ausgegeben – ist ein solcher kantonaler Artikel nutzlos fürs globale Klima. Vielmehr drohten unabschätzbare Folgen und Kosten für Bernerinnen und Berner.
Unabschätzbar deshalb, weil keine konkreten Massnahmen definiert sind. Die Kantone und Gemeinden sollen sich aber gemäss dem neuen Artikel «aktiv» für den Klimaschutz einsetzen. Das heisst, sie sollen dazu neue Gesetze und Verordnungen folgen lassen.
Das Kalkül der Befürworter: Absolut gegen Klimaschutz ist wohl nur eine kleine Minderheit. Und wenn mit dem neuen Artikel ein grundsätzliches Bekenntnis in der Verfassung verankert wird, dann können konkrete Massnahmen besser gerechtfertigt werden. Die Grünen sprechen denn auch von nötigen Leitplanken. Teurer werde es, jetzt nichts zu tun.
«Der bestehende Umweltschutzartikel in der Kantonsverfassung deckt schon alles ab.»
Die Gegner finden den Klimaschutzartikel 31a dagegen unnötig. Der bestehende Artikel 31 zum Umweltschutz decke schon alles ab, findet SVP-Grossrat Alfred Bärtschi (Lützelflüh). Demnach soll die Umwelt künftigen Generation erhalten werden. Auch ist darin der Grundsatz festgeschrieben, dass die natürlichen Lebensgrundlagen gewährleistet bleiben sollen.
Flauer Abstimmungskampf
Ein zusätzlicher Klimaschutzartikel sei unnötig. Das befand einst auch der Regierungsrat. Kürzlich hat er ihn aber doch zur Annahme empfohlen. Nützt es nichts, so schadet es auch nicht; zumindest nicht direkt: Diese Gleichgültigkeit scheint in vielen Lagern verbreitet.
Da jetzt nicht konkrete Schritte wie ein Verbot von Ölheizungen, höhere Energiepreise oder Roadpricing zur Debatte stehen, ist der Abstimmungskampf ziemlich flau verlaufen. Der Berner Bauernverband hält sich zurück und hat keine Parole ausgegeben. Selbst die Wirtschaftsverbände HIV und Berner KMU haben Stimmfreigabe beschlossen.
Sie sind quer durchs eigene Lager gespalten, sehen Vor- und Nachteile. Schliesslich soll der Klimaschutz gemäss dem neuen Artikel «die Volkswirtschaft stärken sowie sozial- und umweltverträglich» sein.
Wegweisend für weitere Urnengänge
Greifbare Klimaschutzvorlagen hatten es zuletzt schwer, trotz der grünen Welle bei diversen Wahlen im Land: Vor zwei Jahren lehnte es das Berner Stimmvolk ab, das kantonale Energiegesetz zu revidieren. Zentraler Streitpunkt war das Verbot von Ölheizungen. Und erst vor drei Monaten wurde das nationale CO₂-Gesetz auch im Kanton Bern verworfen.
Doch sowohl die Kantonsregierung als auch der Bundesrat nehmen bei beiden Gesetzen einen neuen Anlauf. Auf ein Verbot von Ölheizungen respektive neue Abgaben verzichten sie nun. Finanzielle Anreize sollen dafür den Klimaschutz fördern.
Die Grünen sammeln zudem im Kanton Bern Unterschriften für ihre Solarinitiative. Demnach soll auf geeigneten Dächern und Fassaden Solarenergie produziert werden müssen. Die SVP dagegen will das Referendum gegen die Erhöhung der Autosteuern ergreifen. Bereits zustande gekommen ist die Gletscherinitiative. Der Klimawandel wird also noch diverse Volksentscheide erfordern. Mit dem Klimaschutzartikel geht es jetzt um ein grundsätzliches Bekenntnis dazu.
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