Kabarett einmal andersSo witzig kann Geschichte sein
Benedikt Meyer hat ein neues Genre erfunden: Er vereint Geschichtsunterricht und Stand-up-Comedy zum «Historischen Kabarett».

Benedikt Meyer ist der Historiker, der trockenes Wissen in funkelnde Unterhaltung verwandelt. Zum Beispiel, wenn er die absurde Diskussion um das Schweizer Frauenstimmrecht nacherzählt. Spoiler-Alarm: Das Bundesgericht befand 1887, wenn in der Verfassung stehe, «jeder Schweizer» dürfe wählen und abstimmen, dann beziehe sich das eindeutig nur auf Männer.
Rund 100 Jahre später machte das Bundesgericht eine 180-Grad-Kehrtwende: Frauen seien offensichtlich mitgemeint. Deshalb müsse endlich auch der Kanton Appenzell Innerrhoden das Frauenstimmrecht einführen. Das zeigt natürlich wunderbar, wie man je nach Standpunkt und Zeitgeist die gleichen Fakten völlig unterschiedlich auslegen kann.
In seinem «Historischen Kabarett» berichtet Benedikt Meyer zudem von Präsidenten im Pyjama und Napoleons imaginärem Ross. Und wenn der 39-Jährige in seinem melodiösen Baselbieter Dialekt erzählt, wieso der Bahnhof Basel über zwei Uhren verfügt, wird Geschichte so lebendig, wie man sich das früher in der Schule gewünscht hätte. Ihm gelingt das, indem er konsequent das Absurde hinter früheren Entscheidungen aufzeigt: «Im Lauf der Jahrhunderte sind uns so einige Peinlichkeiten passiert, die wir am liebsten für immer vergessen würden. Blöderweise gibt es Historiker», sagt er dazu.
Der promovierte Historiker tritt aber nicht nur auf Bühnen in der ganzen Schweiz auf. Er ist auch Autor. Sein Debütroman «Nach Ohio» (2019) war so packend geschrieben wie wenige Erstlingswerke. Darin erzählt er die Geschichte seiner Urgrossmutter Stephanie Cordelier, die 1891 als 19-Jährige aus der Region Basel in die USA emigriert war. Beim Lesen bekommt man das Gefühl, direkt dabei zu sein, wenn Stephanie Cordelier etwa zum ersten Mal eine Banane isst oder mit einem Lift fährt. Und wie in den Bühnenshows ist auch im Roman das Gespür für Timing perfekt.
Der Autor und Kabarettist hat zum Glück keine Mühe damit, Fakten zu verdichten und zugunsten der Geschichte Details wegzulassen oder neu zusammenzusetzen. Sein Erzähltalent stellt er auch gerne an Science-Slams unter Beweis. Das sind analog zu Poetry-Slams Wettbewerbe, bei denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschungsthemen in einem Kurzvortrag möglichst unterhaltsam präsentieren. Daneben schreibt Benedikt Meyer journalistische Artikel, Kolumnen, aber auch wissenschaftliche Beiträge.
Bei all den unterschiedlichen Tätigkeiten geht es ihm stets darum, dem Publikum Geschichte in Geschichten näherzubringen. Jüngstes Beispiel dafür ist sein Buch «Zeitreisen», das Ende 2021 erschien. In 101 Episoden führt er – teilweise basierend auf der Vorarbeit anderer Autoren – durch die Schweizer Vergangenheit.
Nun präsentiert Benedikt Meyer im Berner Musigbistrot sein «Historisches Kabarett» mit sowohl witzigen als auch lehrreichen Erzählungen von früheren Zeiten, die gleichzeitig viel über uns selbst verraten. «Unsere Vorfahren waren genauso verschroben, tollpatschig, genial, dumm und liebenswürdig wie wir selbst», sagt er.
«Historisches Kabarett»: Montag, 14. März, 20 Uhr, Musigbistrot Bern
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