Einsturzgefährdetes SchulhausAlles ein bisschen schräg
Die Innensanierung des Primarschulhauses war in Wiedlisbach schon vor zehn Jahren Thema – und kam doch erst vor kurzem wieder aufs Tapet.

Wäre das Haus ein altes Bauernhaus, man würde sich ob all der Unebenheiten der Böden und Schwingungen unter den Füssen wohl kaum Gedanken machen. Bei der so markanten Liegenschaft ganz oben am Wangenstutz in Wiedlisbach handelt es sich aber nicht um ein Bauernhaus für ein paar wenige Bewohnerinnen und Bewohner.
170 Kinder und mindestens ein Dutzend Lehrkräfte gehen hier Tag für Tag ein und aus. «Es sind mit all den Jahren sicher nicht weniger geworden», sagt Gemeinderätin Katja Bevilacqua zwischen Fernsehinterview mit dem einen und Fototermin mit dem anderen Medium.
Am Vortag hat der Gemeinderat die sofortige Schliessung des Primarschulhauses bekannt gegeben. Weil im 150-jährigen Gebäude die Böden einzubrechen drohen. Das geschieht nicht alle Tage im Kanton Bern oder überhaupt in der Schweiz.
Regale würden ohne Befestigung wegrollen
Dabei macht das denkmalgeschützte Schulhaus einen durchaus aparten ersten Eindruck. Die Fassade wurde erst vor rund 15 Jahren saniert. Im Innern führen breite Flure zu grossen Klassenzimmern mit hohen Decken. Von seiner Architektur her sei das Haus immer noch geradezu ideal, schwärmt Schulleiterin Beatrice Fischer. Das würde auch von den Lehrkräften immer wieder betont.
Genau diese müssen, wie die Kinder, nun aber vorerst ohne ihr Schulhaus auskommen. Nur noch für Vorbereitungen und Sitzungen betreten die Lehrkräfte das Gebäude. Für den eigentlichen Schulbetrieb ist es geschlossen. Der Grund wird bei genauerem Hinsehen ersichtlich.

In den Zimmern hängen die Böden teilweise dermassen durch, dass Rollregale wegrollten, wären sie nicht an der Wand befestigt. Bei Belastung – Gemeinderätin Bevilacqua hüpft demonstrativ kurz auf und ab – schwingen die Böden mit, und die Gegenstände auf den Pulten vibrieren.
Es sind die alten Holzbalken im Grundgerippe des Hauses, die die Böden kaum noch zu tragen vermögen. Selbst der grösste Teil des Erdgeschosses sei einsturzgefährdet, erklärt Bevilacqua, weil sich unter diesem ein niedriger sogenannter Kriechkeller befinde ohne eigentliches Fundament.
Schlechter Zustand war bekannt
Nun sind die Mängel nicht von einem Tag auf den anderen aufgetaucht. Dass die Deckenbalken und mit ihnen die darüber liegenden Böden leicht durchhingen, habe man schon vor Jahrzehnten festgestellt, hört man im Städtli. Schulleiterin Fischer sagt, die Absenkungen seien bei ihrem Stellenantritt vor sieben Jahren auch schon da gewesen und hätten sich seither wenigstens optisch nicht verschlimmert.

Tatsächlich war der Zustand des Gebäudes in der Gemeinde schon in den Nullerjahren ein Thema. Bei der damals heftig diskutierten Fassadensanierung – der Streit drehte sich um denkmalschützerische Massnahmen – wurde eine später ebenfalls nötige Innensanierung des Schulhauses in Aussicht gestellt.
2013 wurde an einer Gemeindeversammlung dann über das Schulprojekt 2020 informiert, das auch eine Innensanierung des Primarschulhauses beinhaltete. Die veranschlagten Kosten von 9 Millionen Franken für das Gesamtprojekt, zu dem auch eine neue Sporthalle gehörte, erschien dem Gemeinderat aber zu teuer. Wie Berichten von damals zu entnehmen ist, sollte das Vorhaben entsprechend überarbeitet werden.
2016 jedoch legte der damalige Verantwortliche des Schulprojekts 2020 seine Aufgaben nieder. Das Vorhaben wurde nicht mehr als Ganzes weiterverfolgt. Der bereits beschlossene Sporthallenneubau wurde realisiert. Die Innensanierung des Primarschulhauses verschwand allem Anschein nach in der Schublade.
Bevilacqua will nach vorne schauen
Katja Bevilacqua jedenfalls, seit 2018 als Verantwortliche fürs Bildungswesen im Gemeinderat, hat von früheren Diskussionen um eine Innensanierung des Schulhauses keine Kenntnis. Ein entsprechendes Dossier sei ihr bei ihrem Amtsantritt nicht übergeben worden. Erst 2020 sollte der Gemeinderat ein Projekt starten. Das Schulhaus sei dem Rat damals als ein neues Thema zugetragen worden, sagt Bevilacqua.
Was in der Zwischenzeit geschehen war, bleibt unbeantwortet. Die bei der Fassadensanierung beigezogene Denkmalpflege, Behördenmitglieder, Verwaltungsangestellte: Sie verweisen unisono auf Gemeinderätin Bevilacqua, die für die Kommunikation in der Angelegenheit zuständig sei.
Diese interessiert sich derweil weniger dafür, was möglicherweise versäumt worden ist, als was man nun tun könne. «Alles andere bringt schliesslich auch nichts», sagt sie.

Es ist ein ziemlicher Haufen Arbeit, der da auf sie wartet. Dass die Schulhaussanierung ein grosser Brocken würde, sei ihnen seit Vorliegen einer umfassenden Expertise im Februar 2022 bewusst, sagt die Gemeinderätin. Sofortmassnahmen hätten für eine kurze Zeit zwar die Böden stabilisieren können. Die Erdbebensicherheit wäre damit aber weiterhin nicht gegeben gewesen.
Es sei klar, dass das Schulhausinnere einer Totalsanierung unterzogen werden müsse. Eine letzte solche fand um 1970 statt, die Balken selber waren damals offenbar noch in gutem Zustand.
Unterricht in Provisorien
Zuerst einmal gelte es nun, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten, sagt Katja Bevilacqua. Mit der leer stehenden alten Turnhalle des Sekundarschulverbands sowie den gemeindeeigenen Räumen der Mehrzweckhalle Froburg und des Spittels seien bereits Lösungen gefunden. Bis die Räumlichkeiten für den Schulbetrieb eingesetzt werden können, müssten die Lehrkräfte aber noch improvisieren.
Spätestens im Herbst soll der Schulbetrieb dann in Container verlegt werden – auch diese gilt es noch zu organisieren. Erst in einem dritten Schritt, sagt Gemeinderätin Bevilacqua, könne dann das eigentliche Sanierungsprojekt angegangen werden.
Das bei Lehrkräften und Kindern beliebte Schulhaus wird damit noch länger nicht genutzt werden können. Die Lehrerinnen und Lehrer hätten mit Verständnis auf die schwierige Situation reagiert, sagt Schulleiterin Beatrice Fischer. Das möge auch daran liegen, dass die Schule in Wiedlisbach von der Gemeinde stets einen enormen Support gespürt habe.
Als etwas schwieriger erweise sich die Situation für einzelne Schulkinder. Sie sollen sich von «ihrem» Schulhaus deshalb noch verabschieden dürfen in den nächsten Tagen. «In kleinen Gruppen aber nur», betont Gemeinderätin Bevilacqua. Man wolle nichts riskieren.
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