So feiern die Finnen den 1. Mai
Weltweit werden zu zwei Festtagen frohe Wünsche ausgetauscht: zu Ostern und zu Weihnachten. In Finnland gibt es noch einen dritten: «Hauskaa vappua – heiterer 1. Mai».
Der Tag der Arbeit ist in unseren Breiten nur für Gewerkschafter ein fixer Termin, in Zürich und anderen Städten vielleicht noch für Krawallanten. Jedenfalls kein besonders fröhlicher Tag. Ganz anders in Finnland. Politische Bedeutung und Umzüge stehen da im Hintergrund, umso höher der gesellschaftliche Stellenwert: Der 1. Mai war schon seit je ein Fest für die Studenten jeglichen Alters: Vappu.
Der Name wurde vom schwedischen Valborg adaptiert, dem deutschen Walpurgis. Es hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem grossen Fest des Frühlings entwickelt. Die Ambiance ist vergleichbar mit dem Ausnahmezustand in Hochburgen der Fasnacht oder des Karnevals, den man im evangelisch-lutherischen Finnland nicht kennt.
Dieser Tag geniesst in manchen Städten Finnlands sogar eine grössere Bedeutung als Juhani, das Mittsommerfest. Schön dabei aber, dass der Aufschwung von Vappu überhaupt nicht mit einem kommerziellen Anstrich wie bei uns etwa der neumödige Brauch von Halloween einherging, sondern offenbar ganz der wiedererwachenden Lebensfreude der Finnen entspricht.
Es gibt ja das überlieferte Bild von den zwei Sorten Menschen in Finnland: dem schwermütigen Winterfinnen und dem fröhlichen Sommerfinnen. Und Vappu ist der perfekte Zeitpunkt dafür, nach der Uhr auch im Kopf auf Sommer umzustellen: Ab 1. Mai fährt man mit offenem Cabrio aus und läuft in kurzen Hosen rum. Wetter hin oder her.
Ein Meer von weissen Mützen
Am Vortag bieten Bäckereien Tippaleipä an (sieht aus wie gebackene Spaghetti, schmeckt aber herrlich mürbe), und in traditionellen Haushalten wird noch Sima gebraut (ein vergorenes Getränk mit Zitronen und Rosinen). Weitaus am meisten Leute zieht Vappu in Helsinki in seinen Bann: Alles strömt hier auf die Esplanadi, alles ruft sich «Hauskaa vapuua!» («Heiterer Vappu!») zu, und praktisch alle haben eine Flasche Schampus unterm Arm. Am Ende der Prachtsallee müssen nämlich zum Höhepunkt des Vappu-Vorabends die Korken knallen: Punkt 18 Uhr setzen Studenten der frisch gewaschenen Manta, wie die Statue der Meerjungfrau Havis Amanda umgangssprachlich heisst, die Studentenmütze auf.
Ja, die weisse Mütze, die ist in der Tat das alles überstrahlende Vappu-Symbol. Was für ein Erlebnis, auf das Meer von Zehntausenden von Studentenkäppis zu blicken! Denn das wird nicht nur von aktuellen Studis getragen, sondern von jedermann, der irgendwann mal studiert hat. Je vergilbter, desto besser. Die Studenten der technischen Fakultäten tragen zusätzlich noch ihre Overalls.
Ein Fest für alle
Am nächsten Morgen setzt zeitig eine Völkerwanderung in den Süden ein, zum Stadtpark Kaivopuisto. Die Ersten erscheinen bereits um sieben Uhr, um sich die besten Plätze zu sichern und sich mit Tischen, Stühlen und sogar Kronleuchtern für einen gediegenen und gemütlichen Tag einzurichten. Studenten der Sibelius-Akademie schleppen gar ein Harmonium herbei. Die nächsten ziehen auf neun Uhr zielstrebig zum Hügel der Sternwarte, um sich den traditionellen Auftritt von Ylioppilaskunnan Laulajat (YL, Studentenschaft-Sänger), dem ältesten Männerchor Finnlands (gegründet 1883), nicht entgehen zu lassen.
An diesem einen Tag wird YL zu einem Alumni-Chor: Einige betagte Ex-Mitglieder wirken seit bald 70 Jahren mit. Entsprechend andächtig-feierlich die Stimmung, für viele Beteiligte schöner als Weihnachten, wie der nach Kalifornien ausgewanderte IT-Manager Matti Mickos erklärt. An diesem Morgen auf diesem Hügel trifft sich tout Finlande: Minister, Unternehmer, Arbeiter, Intellektuelle – ein 1.-Mai-Fest für wahrlich aller Gattung Leute.
Lakki und Heila
Gegen Mittag erfolgt dann der Aufmarsch der jüngeren Generationen. Erstaunlich – auch sie fast alle weiss bemützt. «Das war vor einem Jahrzehnt noch anders», erklärt Matti. «Lange Zeit war eine Mütze tragen nicht mehr sehr in Mode.» Da kamen auch weisse Wollmützen auf, die sich aber nicht durchsetzen konnten – so sehr sie an windigen Vappu-Tagen viel besser ihren Zweck erfüllten. Heute jedoch ist die Ylioppilaslakki, das Käppi, wieder ein Must.
Noch ein zweites Wort hat an diesem Tag eine wichtige Bedeutung: Vappuheila. Das bezeichnet ein Schätzchen, das man an Vappu kennen lernt (die Gelegenheit ist ja kaum je besser), das aber am nächsten Tag vielleicht schon wieder entschwunden ist, weil man sich nicht mehr daran erinnern kann . . .
Der ausländische Besucher aber wird ein paar ganz besondere Erinnerungen im Ohr behalten: das Ploppen der überall knallenden Schampuskorken oder das fröhliche Singen in Parks und Strassen. Gewiss bestätigt sich hier das Gerücht, dass die Finnen gern trinken mögen – nicht aber, dass sie etwa melancholisch werden. Wie recht hat Matti: «We are cheerful.» Eine schöne und ungewöhnliche Art, Finnland kennen zu lernen. Hauskaa vappua!Da Vappu touristisch noch nicht bekannt ist, gibt es keine Pauschalangebote. Dieser Artikel wurde unterstützt von Finnair; sie fliegt zweimal täglich von Zürich nach Helsinki.
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