Snowdens Leben als Phantom in Russland
Lesen und Fremdsprachen lernen: Edward Snowden wartet irgendwo in Russland auf seinen Vater. Dem Whistleblower geht anscheinend das Geld aus. Putin prophezeit ihm eine düstere Zukunft.

Irgendwo in den Weiten Russlands hält er sich versteckt. Liest Bücher, lernt Russisch, und wartet auf die Ankunft seines Vaters: Edward Snowden, früherer US-Geheimdienstmitarbeiter, Enthüller mysteriöser Spähprogramme und einer der meistgesuchten Menschen auf dem Planeten.
Seit Snowden am 1. August mit einem positiven Asylbescheid der russischen Behörden nach fünf Wochen den Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo verlassen hat, ist sein Aufenthaltsort unbekannt. Die Faktenlage ist mehr als dürftig.
«Ja, er ist in Russland», bestätigte sein Anwalt Anatoli Kutscherena. Der 30-Jährige sei an einem «sicheren Ort». Aber Nein, wo genau der sich befinde, werde aus Sicherheitsgründen nicht verraten. Snowden musste sich irgendwo behördlich anmelden, das schreiben die russischen Gesetze jedem Ausländer vor. Wo, das ist unbekannt. Ihm gehe das Geld aus, heisst es. Helfen will der russische Senator Ruslan Gattarow, er bereitet eine Spendensammlung vor.
Mysteriöse «Snowden-Sichtungen»
Immer wieder tauchen Gerüchte auf, Snowden sei irgendwo gesehen worden. Er könnte ein Yeti sein, oder ein Ausserirdischer. Keine Sichtung des verdächtigen Objekts hat bislang einer Überprüfung standgehalten.
Die USA, die Snowden wegen Geheimnisverrats suchen und vor Gericht stellen wollen, erfuhren erst aus lokalen Medien, dass er von Russland für ein Jahr Asyl erhalten hat. Und Washington habe keine Ahnung, wo er jetzt stecke, heisst es in gut unterrichteten Kreisen.
Warten auf den Vater
Er gehört nun zu einer kleinen Schar illustrer und berüchtigter Figuren, die in den vergangenen Jahrzehnten in Russland untergetaucht sind – vom Bruder des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic bis zu zwei britischen Doppelagenten, die der Sowjetunion eine Reihe von Geheimnissen verrieten.
Worauf er besonders dringend wartet, ist die Ankunft seines Vaters Lon. Der hat ein Visum beantragt und darf vermutlich in den kommenden Wochen nach Russland reisen. «Edward wartet auf seinen Vater und seine Familie und auf Freunde, um über eine ganze Reihe von Fragen zu entscheiden», sagte sein Anwalt Kutscherena dem Radiosender Voice of Russia. «Er war auf einer schwierigen Reise. Ich würde sagen, auf einem Höllenritt. Er braucht jetzt eine Zeit der Eingewöhnung.»
«Als Trinker auf den Strassen landen»
Snowden habe begonnen, Russisch zu lernen, sagte Kutscherena. Er habe sich auch Übersetzungen russischer Romane besorgt, wolle russische Speisen kennen lernen und durchs Land reisen. «Aber der Grad an Sicherheit, den er braucht, lässt es nicht zu, dass er über den Roten Platz spaziert oder zum Angeln rausfährt.»
Ob Snowden in Russland jemals eine Art normales Leben führen wird, ist fraglich. Nicht ausgeschlossen, dass er noch versuchen wird, nach Lateinamerika zu gelangen. Geht es nach der Einschätzung von Russlands Präsident Wladimir Putin, dann hat Snowden keine besonders fröhliche Zeit zu erwarten. Während des Austauschs von Spionen mit den USA vor drei Jahren sagte er: «Verräter» würden «alle als Trinker und Abhängige auf den Strassen landen.»
Die beiden britischen Doppelagenten, die in den 1960er-Jahren hinter den eisernen Vorhang nach Moskau flüchteten, ereilten ganz unterschiedliche Schicksale. George Blake lebt heute als Georgi Iwanowitsch ein ruhiges Leben in der russischen Hauptstadt, dort bekommt er auch regelmässig Familienbesuch. Kim Philby starb 1988 als einsamer Mann, gezeichnet von Alkohol und Depression.
SDA/rub
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