Slowenien lockt – nicht nur mit Melania
Der Bleder See steht nicht auf der Urlaubsliste in Europa. Dabei ist er wunderschön.

Klemen breitet die Arme aus und kippt dabei nach vorne, als lasse er sich in Zeitlupe auf den Bauch fallen. Er steht am Heck seines Boots, gebeugt wie ein Skispringer. Dann führt er die Hände mit den Rudern zusammen und richtet sich so wieder auf. Auf dem Bleder See wird stehend gerudert, wie es die Gondoliere in Venedig tun, im Gegensatz dazu aber mit dieser kreisenden Technik. «Zwei Jahre braucht man, bis man diese eine Bewegung so gut beherrscht, dass man das Boot auch bei Wind sicher steuert», sagt Klemen.
Er ist 28 Jahre alt, trägt eine grün-verspiegelte Sonnenbrille und ist Pletner. Er ist eine Art Ruderaristokrat: Als einer der wenigen darf er Besucher mit einer Pletna, einem breiten Holzboot, über den See rudern. In seiner und 21 anderen Familien erben die Söhne vom Vater das Recht, Pletner zu werden – seit Kaiserin Maria Theresia den Bleder Bauern dies als Zusatzverdienst zugestand.
Das slowenische Bled liegt in einer Landschaft, wie sie Amerikaner und Asiaten von Europa erträumen: Das Wasser des kleinen Sees leuchtet türkisfarben vom Kalk der weissen Julischen Alpen, und mittendrin erhebt sich eine Insel, die einzige Sloweniens, die gerade genug Platz bietet für eine Kirche.
Viel winziger und lieblicher als San Giorgio Maggiore in der Lagune von Venedig oder Mont-Saint-Michel in der Normandie ist das Fleckchen Erde. Mariä Himmelfahrt, eine Wallfahrtskirche, steht seit 1465 hier auf einem Kalkfelsen, bekränzt von Bäumen.
«Die Hälfte der Touristen, die ich zur Insel bringe, kommt aus Asien», sagt Klemen, «und ein weiteres Drittel sind Italiener.» Er kann sich nicht erinnern, in diesem Jahr auch nur einen Schweizer übergesetzt zu haben. «Wir leben in einer verrückten Welt: Die Menschen kommen in Scharen vom anderen Ende des Planeten, aber die Europäer, die haben uns noch nicht entdeckt!» Auch die «Huffington Post» stellte fest: «Slowenien wird im Allgemeinen übersehen bei den Ferien in Europa und ist doch eines der schönsten Länder.»

Ein wenig mehr ist es ins amerikanische Bewusstsein gedrungen, seit die gebürtige Slowenin Melania Trump im vergangenen Jahr ins Spotlight trat. In Bled hatte sie im Sommer 2002 ihren Eltern den zukünftigen Ehemann Donald vorgestellt, an diesem kleinen, ruhigen Ort, der dem krakeelenden Gemüt des Präsidenten diametral entgegengesetzt ist. Das heutige Präsidentenpaar schlief im Grand Hotel Toplice gleich am Ufer. Allein im Wahljahr 2016 sind schon zehn Prozent mehr Amerikaner nach Slowenien gereist als im Vorjahr, gab das Fremdenverkehrsamt bekannt, das nun mit der neuen First Lady auf einen Melania-Boom hofft.
Über 99 Stufen werden Bräute zur Kirche getragen
Die internationale Prominenz hat Bled aber schon auf ihrer Liste. Prince Charles, Paul McCartney, Juan Carlos von Spanien oder Laura Bush schlenderten schon am See entlang, auch Simonetta Sommaruga war da. Früher kam auch Tito hierher in seine Sommerresidenz, die Villa Bled, die heute ein Hotel ist. Der jugoslawische Diktator liess sie von deutschen Kriegsgefangenen fertigstellen und empfing hier Nikita Chruschtschow oder Indira Gandhi.
Klemen legt an, direkt vom Ufer aus geht es 99 Stufen hinauf zur Kirche. 99 Stufen, die auch die slowenischen Bräutigame ihre Bräute hinaufschleppen müssen, wenn sie hier heiraten. Im Jahr 745, im Zuge der Christianisierung, musste eine Kultstätte der altslawischen Liebesgöttin Živa der Mutter Gottes das Feld räumen. Die Lage ist so eindrucksvoll, dass Heinrich Himmler, einstiger Reichsführer der SS, den Plan gefasst hatte, die Kirche abreissen und auf der Insel einen Wotanstempel errichten zu lassen.
Vor dem Altar stehen ein paar ältere Japanerinnen in Turnschuhen, mit Riesensonnenbrillen und Lacktaschen. Sie ziehen am Glockenseil, denn in der Marienkirche pflegt man einen abergläubisch wirkenden Brauch: Jedem, der für die Jungfrau die Glocke läutet, soll ein Wunsch in Erfüllung gehen. Der Altar hinter den Japanerinnen muss ein Schock für sie sein: Er bietet ein grosses Aufgebot an spätbarockem Pomp – japanischer Schlichtheit genau entgegengesetzt. Pummelige Putten huldigen, aufgewühlte Gewänder flattern, güldene Strahlen und Säulen protzen. Die Japanerinnen ziehen eine nach der anderen so zaghaft am Seil, dass ihre Zurückhaltung nichts ausrichten kann. Es muss erst eine Italienerin zu Hilfe eilen, und die zeigt ihnen, wie resolut-katholisch man Wünsche erbimmeln kann.
Schweizer fischt Forellen und suchen Eierschwämme
Neben der Insel gibt es am See noch eine andere exponierte Stelle: Ein sehr steiler Felsen ragt 139 Meter über das Wasser, als hätte ein Schöpfer in besonders guter Laune hier noch einen besonders theatralischen Ort für eine Burg spendiert. Das Felspodest, auf dem sie thront, ist gerade gross genug für die mittelalterliche Burg, die älteste Sloweniens, von der man auf den Hausberg Straza, die Tiefebene Richtung Ljubljana, die Karawanken und den See schauen kann.
Bled liegt am Rand des einzigen Nationalparks Sloweniens, dem der höchste Berg des Landes, der Triglav mit 2864 m ü. M., seinen Namen gab. Hier, in den Julischen Alpen, gibt es keine Bergbahnen auf jeden Hügel wie in der Schweiz, hier müssen die Berge erwandert werden. Die bewaldeten Karawanken, der höchste Berg geht hinauf auf 2200 m ü. M., stehen hufeisenförmig um das Bleder Eck, ein Tal, so flach wie die Niederlande. Überall stehen Gärtchen mit Bohnenstangen, Apfelbäumen und Kozolci, Heuharfen, typisch für die Oberkrain, auf denen das Heu auf waagerechten Holzstangen trocknet.
Slowenien ist halb so gross wie die Schweiz und hat nur zwei Millionen Einwohner. Nur Finnland und Schweden haben in Europa noch mehr Anteil an Wald als Slowenien. Im August kommen die Italiener und pflücken den Einheimischen die Pilze weg, Eierschwämme und Steinpilze.
Ralph Högger und seine Tochter Saskia aus St. Gallen machen Urlaub hier, sie fischen Forellen und suchen Pilze. «Wir haben aber nicht viel gefunden», sagt Saskia, «dieses Jahr ist es einfach zu trocken.» Die beiden sitzen im urigen Gasthaus Zatrnik bei Pokljuka, bekannt für sein Biathlonstadion, und essen Steinpilz-Carpaccio. «Es erinnert mich hier ein wenig ans weitläufige Bündnerland», sagt Ralph Högger. «Slowenien», sagt Saskia, «man hört von diesem Land so wenig.» Mal schauen, was der Melania-Boom bringt.
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Die Reise wurde unterstützt vom Slowenischen Fremdenverkehrsamt
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