Skandal-Rapper gewinnen Echo und werden ausgebuht
Trotz Antisemitismus-Debatte haben Kollegah und Farid Bang eine Auszeichnung erhalten. Dafür hat ihnen Toten-Hosen-Sänger Campino die Leviten gelesen.
Campino wollte noch was loswerden. Gerade hatte der Sänger der Toten Hosen auf der Bühne des Messegeländes in Berlin den Echo in der Kategorie «Rock National» entgegengenommen. Jetzt fummelte er ein paar grossbedruckte Notizzettel aus der Hosentasche.
Er habe lange überlegt, ob er in diesem Jahr an der Echo-Verleihung teilnehmen sollte, sagte Campino. Aber dann habe er sich entschieden. Denn: «Wer boykottiert, kann nicht mehr diskutieren.» Campino will diskutieren. Über Kunst und Meinungsfreiheit. Und ihre Grenzen. «Auch wir haben mit Tabubrüchen gearbeitet, ich bin also vom Fach.» Die Grenzüberschreitung gehöre dazu, gerade im Rap.
«Realtiv stillos»
Doch heutzutage müsse man sich die Frage stellen, wann die moralische Schmerzgrenze erreicht sei. «Diese Grenze muss jeder Künstler für sich selbst ziehen.» Seine persönliche aber sei überschritten. Bei Frauenfeindlichkeit, bei Homophobie oder eben bei Antisemitismus. Er wolle ganz sicher keine Zensur, sagte Campino, das sei nicht die Lösung. Er wolle schlicht und einfach ein Bewusstsein schaffen.
Vom Publikum in Berlin gab es dafür Standing Ovations. Als Kollegah und Farid Bang später den Preis in der Kategorie «Hip-Hop/Urban National» entgegennahmen und Campinos moralisierende Rede als «relativ stillos» bezeichneten, hallten Pfiffe und Buhrufe durch die Messehalle.
Im Vorfeld der Echo-Verleihung hatten die Nominierungen für Kollegah und Farid Bang bereits Proteste ausgelöst. Diesen wird Antisemitismus vorgeworfen, in einer Liedzeile ihres besonders umstrittenen Lieds «0815» heisst es etwa, «mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen». Kollegah wies die Antisemitismus-Vorwürfe als Kampagne zurück und versprach etwa jüdischen Hörern freien Eintritt zu seinen Konzerten auf Lebenszeit.
«Grenze überschritten»
Trotz der Diskussion über ihre Texte gewannen die beiden Rapper den Preis in der Kategorie Hip-Hop/Urban National. Kollegah warf Campino vor, sich «als moralische Instanz» aufgespielt zu haben. Dies gebühre eigentlich «einem so grossen Musiker wie Campino nicht». Der Bundesverband Musikindustrie als Ausrichter des Echo hatte noch kurz vor der Gala die Entscheidung, die Rapper nicht auszuschliessen, als eine «Entscheidung im Sinne der Kunstfreiheit» gerechtfertigt.
Die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigte sich entsetzt über den Echo für die Rapper. Es sei «ein verheerendes Zeichen», den wichtigsten deutschen Musikpreis an «vermeintliche Künstler» zu verleihen, die ein gesellschaftliches Klima bedienen, in dem Antisemitismus offenbar wieder normal sei, erklärte Knobloch in München.
Insgesamt gab es für den wichtigsten deutschen Musikpreis 90 Nominierte für 22 Auszeichnungen. In Abwesenheit holte Weltstar Ed Sheeran die wichtigsten Echos für den Hit des Jahres und das Album des Jahres. Die mit «No Roots» bekannt gewordene Alice Merton gewann die Kategorie Künstlerin Pop National, Milky Chance («Blossom») als Band Pop National. Als beste Band international wurden Imagine Dragons («Evolve») ausgezeichnet.
Rekord für Helene Fischer
Der erkrankt abwesende deutsche Superstar Robin Schulz gewann einen Echo in der Kategorie Dance National. Damit konnte Schulz bereits das vierte Jahr in Folge eine der Auszeichnungen gewinnen. Zum vierten Mal einen Echo gewann die Band Santiano in der Kategorie Volkstümliche Musik. Alles in den Schatten stellt allerdings dabei weiter Helene Fischer, die die Kategorie Schlager gewann und damit ihren bereits 17. Echo gewann – kein Künstler ist erfolgreicher.
Als Künstler Pop national gewann Mark Forster das erste Mal die Auszeichnung und sagte, «ich hatte heute mal so richtig Bock, einen Echo zu gewinnen». Als Künstlerin international gewann Pink, diese war aber ebenso wie Ed Sheeran nicht anwesend. Newcomer national wurde Wincent Weiss, als Newcomer International gewann der 2017 mit dem Sommerhit «Despacito» erfolgreiche Luis Fonsi.
Ed Sheeran gewann ausser für den Hit und das Album des Jahres auch in der Kategorie Künstler international. Dagegen ging der wie Ed Sheeran vier Mal nominierte Bausa («Was du Liebe nennst») leer aus.
AFP/woz/chk/Julian Dörr
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