Sie wusste nicht mal, was der Weltcup ist
Alice Robinson kommt aus Neuseeland, wurde jüngst 18, düpierte die Riesenslalom-Elite zum Saisonauftakt und startet heute in Courchevel.

So also residiert eine Skirennfahrerin, die vor zwei Wochen 18 geworden ist. Das Wasser plätschert in den Aussenpool, Dampfschwaden steigen auf in den kalten Nachthimmel, drinnen brennen Kerzen, spielt ein Pianist klassische Stücke, werden Cocktails serviert. Ein Fünfsternhotel am Hang von Courchevel ist für ein paar Tage das Zuhause von Alice Robinson. Sie kommt aus dem Lift. «Immer ist es schon nicht so», sagt sie.
Der Concierge führt in einen schummrigen Raum mit Billard- und Kicker-Tisch. Robinson stellt sich gleich an die Griffe, dann will sie doch erst reden. Sie setzt sich aufs Sofa, die blonden Haare hinter die Ohren gekämmt, rote Wangen. Sie sind eben doch noch ungewohnt, diese Gespräche, in denen sie von sich erzählen soll. Wie es so weit gekommen ist, dass sie, als 17-jährige Neuseeländerin, zum Auftakt in Sölden die ganze Riesenslalom-Elite düpiert hat. Inklusive Immersiegerin Mikaela Shiffrin. Robinson lächelt. «Witzig» findet sie, dass Shiffrin eine Stufe weiter unten stand auf dem Podest, «das war ein zusätzlicher Bonus. Es zeigte mir, dass auch ich ganz vieles richtig gemacht habe.»

In Courchevel startet sie heute zu ihrem 13. Rennen im Weltcup. Es ist die Zahl eines Rookies. Die Erfolge stehen diametral dazu. Sie ist Weltcupsiegerin und hat ausserdem einen 2. Rang in ihrem Palmarès, herausgefahren im Riesenslalom beim Saisonfinale in Andorra. «Schon das war ein gewaltiger Schock für mich. So etwas war ausserhalb meiner Vorstellungskraft. Erst recht war es der Sieg», sagt Robinson. Im Sommer habe sie einfach gut trainiert, «dann gab ich in Sölden das Beste, was ich konnte. Offenbar war es gut genug.» Wieder huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.
Sie wurde selber überrumpelt. Wie sollte es auch anders sein? Sie hat etwas erreicht, was sie gar nie als Ziel hatte – oder besser: haben konnte. Was der Weltcup sein soll, wusste sie als Kind nicht. Skirennen gab es nicht zu sehen im neuseeländischen Fernsehen. «Ich habe nie über Resultate oder Ziele nachgedacht. Ich wollte einfach nur schnell sein.» Sie war es, wurde nationale Juniorenmeisterin im Slalom, davor war sie schon bei den Erwachsenen die Schnellste im Riesenslalom gewesen.
Das Leben einer Grossen
Dieses Leben, weit weg vom Scheinwerferlicht, liegt gerade einmal zwei Jahre zurück. Nun ist sie der Shootingstar der Skiwelt. Ist sie bei Red Bull unter Vertrag. Wird sie betreut von der einstigen Medienverantwortlichen Lindsey Vonns. Nächtigt sie in Courchevel im Hotel, das dem Vater von Gesamtweltcup-Leader Alexis Pinturault gehört und wo auch Vonn regelmässig abstieg. Und wird sie von der Stiftung der einstigen Speed-Königin finanziell unterstützt.
Es geht alles rasend schnell in Robinsons Leben. Im Winter noch etwas schneller. Dann wohnt sie im Fassatal in den Dolomiten, trainiert mit anderen Fahrerinnen kleiner Skinationen und unter der Leitung von Chris Knight und Jeff Fergus. Beides ehemalige Trainer von Vonn. «Sie wissen, wie es geht, haben schon alles durchgemacht. Solche Trainer brauche ich, schliesslich bin ich noch frisch im Geschäft.»
Der Bruder sieht erst zum zweiten Mal ein Rennen mit ihr – selbst in der Familie ist sie Exotin.
Training, Wettkämpfe, die Zeit vergeht wie im Flug. Die Familie vermisse sie deshalb kaum, «zudem besucht sie mich ab und zu». Nach Courchevel sind gleich alle Robinsons gereist: Mutter, Vater, ältere Schwester, jüngerer Bruder. Auch sie hätten sich im Skifahren versucht, doch die Schwester sei «eher akademisch denn sportlich veranlagt», sagt Robinson. «Und mein Bruder mochte Rugby mehr.» Es wird erst das zweite Rennen sein, das er von seiner Schwester sieht. Es scheint, als wäre Alice Robinson selbst in der Familie eine Exotin.
Dabei ist ihre Berufswahl gar nicht abwegig. Als sie drei war, stand sie erstmals auf Ski, ein Jahr später zogen die Robinsons aus dem australischen Sydney in die neuseeländischen Alpen nach Queenstown. «Viele europäische Teams trainieren im Sommer bei uns. Es ist also nicht ganz so irrwitzig, bin ich Skirennfahrerin geworden», sagt Robinson. «Aber für Europäer wohnen wir auf der anderen Seite der Welt. Daher wirkt es schon exotisch.»
Entsprechend freundlich sei sie aufgenommen worden im Weltcup, so als Aussenseiterin. Nervös sei sie dennoch gewesen bei ihrem ersten Start, am 6. Januar 2018 in Kranjska Gora war das. Sie schaffte es im Riesenslalom nicht in den zweiten Lauf, überhaupt kam sie in den ersten acht Rennen nie in die Top 30. Die Resultate seither: 16., 2., 1., ausgeschieden zuletzt in Killington.
Der Plan mit dem Super-G
Bis jetzt fuhr sie nur Riesenslaloms, im Januar will sie bereit sein für den Super-G. «Die ersten Male musste ich verdauen. Nun mag ich die grosse Bühne, mache ich mich nicht mehr verrückt. Es bringt nichts, darüber nachzudenken, was alles passieren kann. Alles, was ich tun kann, ist, mein Bestes zu geben.»
Vielleicht ist das ja bald wieder einmal gut genug, um die ganze Ski-Elite vorzuführen.
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