Sie wollen nicht nur 2.-Klasse-Polizisten sein
Der Kommandant der SBB-Polizisten wollte deren Macht ausbauen – und eckte an.

Alle, die Zug fahren, kennen sie: die uniformierten Muskelpakete, die in Bahnhöfen und Waggons patrouillieren. Doch sind das echte Polizisten oder gehören sie einem privaten Sicherheitsdienst an?
Die rund 240 Mitarbeiter sind zum grossen Teil eindeutig Polizisten. Doch sie verfügen nicht über die gleichen Kompetenzen wie kantonale Korps. Vorläufige Festnahmen und Beschlagnahmungen dürfen sie durchführen, das Durchsuchen von Personen ist ihnen untersagt. Die 2-Klassen-Gesellschaft zeigt sich auch bei den Waffen: Bahnpolizisten haben Pistolen, aber keine Taser und Gewehre.
Die Aufrüstung war eine Kernforderung des Kommandanten der Transportpolizei (TPO), Jürg Monhart, der die SBB vor zwei Wochen ohne Angabe von Gründen verliess. Vor zwei Jahren hatte sich der Polizeioberst für Maschinenpistolen für sein Korps starkgemacht – erfolglos. Anfang 2018 nahm er einen neuen Anlauf. In einer Rede in Genf sagte er: «Für mich sind Taser und Langwaffen nötig.» Begründung: «Als Kommandant ist es meine Pflicht, den Polizisten die höchstmögliche Überlebenschance zu garantieren.»
Selbstversuch mit Taser
In der SBB-Führung kam das Vorpreschen nicht nur gut an. Sowieso genoss Monhart bei seinen Chefs nicht länger denselben Rückhalt wie zuvor. Er galt als Protegé der Leiterin der Division Personenverkehr, Jeannine Pilloud. Sie war gemäss der «Luzerner Zeitung» zugegen, als Monhart den Taser im Sommer 2016 am eigenen Leib testete und stöhnend zu Boden ging. Doch Pilloud räumte ihren Posten Ende 2017. Acht Monate später ist auch Monhart weg.
Zwischen den beiden abrupten Abgängen liegen bewegte Monate. Kaum war in Bern der Ärger über die Forderung des Kommandanten etwas verraucht, machte im März ein Whistleblower die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) auf mögliche Missstände bei der TPO aufmerksam. Der gravierendste Vorwurf: Die Polizeispitze soll die SBB, andere Verkehrsbetriebe, die Kantone und den Bund mit manipulierten Rechnungen jahrelang getäuscht haben. Aufgelistet wurden auch Verfehlungen wie fragwürdiges Sponsoring und die Bevorzugung von Spitzensportlern. Diese Vorwürfe hatte die SBB-Compliance-Abteilung bereits zuvor abgeklärt. Mit Folgen: Die unzulässige Unterstützung für ein Bob- und ein Curling-Team wurde gestoppt.
82 Prozent der Befragten wollen das Korps verlassen.
Die Finanzkontrolleure des Bundes begannen nun, die mutmasslichen Manipulationen bei der Fachstelle Leistungserfassung und Reporting der TPO zu untersuchen. Mandatsleiter Robert Scheidegger bestätigt einen Bericht dieser Zeitung, wonach es beim Audit um die Frage geht, ob Subventionen korrekt verwendet und abgerechnet wurden. Das Grundproblem: Bund und Kantone bezahlen die SBB für die Sicherheit im Regionalverkehr. Kein Staatsgeld fliesst hingegen für Kontrollen in Fernzügen und in Bahnhöfen. Bei den Verbuchungen auf die einzelnen Bereiche soll es laut dem Whistleblower zu Verschiebungen gekommen sein.
Unruhe herrscht seit längerem auch im Korps. Im März veröffentlichte die Gewerkschaft des Verkehrspersonals eine Umfrage unter Bahnpolizisten mit alarmierenden Zahlen. Vor allem in der Romandie ist die Stimmung offenbar extrem schlecht. 82 Prozent der Befragten wollen das Korps verlassen. Im Tessin hingegen waren alle mit ihrem Job zufrieden. Die SBB zweifelten das Ergebnis der Umfrage an. Dennoch wurde der Abteilungsleiter Region Romandie von seinem Posten abberufen.
Mehr Aktion
Die schlechte Stimmung und der Personalmangel durch die vielen Abgänge spürt in der Westschweiz auch das übrige Bahnpersonal. Gemäss einem Bericht in der Schweizer Lokführer-Verbandszeitschrift «LocoFolio» beschweren sich die SBB-Lokführer, dass in der Genferseeregion abends und nachts in den Zügen nirgends Bahnpolizisten zu sehen seien. Sie würden stattdessen bei den Genfer Verkehrsbetrieben patrouillieren.
War den Polizisten der Job in den SBB-Zügen zu langweilig? Laut einem Insider bevorzugen einige von ihnen aktionsreiche Aufgaben gegenüber ereignisarmen Patrouillen im Regionalzug. Die Chefs hätten dafür stets viel Verständnis gezeigt.
Monhart wollte sich nicht zu den Vorwürfen äussern. Die SBB betonen, dass sein Ausscheiden nichts mit der EFK-Untersuchung zu tun habe. Sie würden keine Verstösse gegen die Compliance dulden und den Ausgang des Audits abwarten. Mandatsleiter Scheidegger will seinen Bericht bis November an die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte schicken. Er erwartet nicht, dass der Fall – trotz ähnlicher Thematik – die Dimensionen des Postauto-Skandals annimmt. Allein aufgrund des Jahresumsatzes der TPO von 40 bis 50 Millionen Franken könne ein möglicher Schaden nur tiefer ausfallen.
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