Sie läuft für der anderen Glück
Brigitte Daxelhoffer aus Burgistein hat ein grosses Ziel: In neun Tagen und neun Nächten will sie vom Mönch nach Monaco rennen. Nicht nur für sich. Sondern auch für die Ärmsten dieser Welt.

Doch, wenn sie lange am Stück renne, dann falle sie manchmal in einen Sekundenschlaf. «Aber das passiert mir nur in sicherem Gelände, etwa wenn ich für die Durchquerung der Schweiz der Limmat entlanglaufe.» Auch Halluzinationen seien ab einem gewissen Moment normal. Dort, wo andere schon lange mit Jogging oder Langstreckenläufen aufgehört haben, fängt Brigitte Daxelhoffer erst an.
Am Eiger Ultra Trail lief die Amateurläuferin, die sich ihren Lebensunterhalt bei einer Beratungsfirma in den Bereichen Medizin und Pharmaprodukte verdient, dieses Jahr im Gesamtklassement auf Platz 9 – mitten in die Weltspitze von Profis und Halbprofis ihres Fachs. Sie spricht über ihre sechste Teilnahme an diesem Wettkampf, der für andere eine Grenzerfahrung darstellt, als wäre er etwas mehr als die gewohnte Runde ums Haus.
«Mein Ziel ist, einen Rhythmus von neun Stunden Laufen und drei Stunden Ruhezeit einzuhalten.»
Es sind Aussagen wie «Im November, Dezember gönne ich mir schon eine Pause» beziehungsweise der Nachsatz «Dann laufe ich nur sechsmal in der Woche für vielleicht eine Stunde», die dem Laien einen kleinen Hauch dessen vermitteln, was Brigitte Daxelhoffer als «grösstes Glück auf Erden» bezeichnet: das Laufen von Langstrecken oder Ultralangstrecken.
Süchtig?
Was vor fünfzehn Jahren mit einem Marathon anfing, gipfelte – vermeintlich – 2014 mit der Teilnahme am 100 Kilometer langen Eiger Ultra Trail. Später setzte sie sich das Ziel, jedes Jahr einen um 100 Kilometer längeren Lauf zu meistern. «Und ich sagte mir: Wenn ich einmal an einem Wüstenlauf teilgenommen habe, dann kann ich aufhören.» 2016 lief sie 257 Kilometer durch die Sahara – und hörte nicht auf.

Nächstes Jahr will sie 1000 Kilometer durch Österreich, Deutschland und Tschechien laufen. «Eine Sucht? Gut möglich», sagt sie bloss. Freilich sind die Läufe, an denen Brigitte Daxelhoffer teilnimmt, mehr als nur die Befriedigung eines inneren Triebs. Seit 2014 läuft sie auch, um Menschen in Not Hoffnung zu geben.
Der Tod eines Sherpas, der sie ein Jahr zuvor im Himalaja begleitet hatte, veranlasste sie, Spenden pro gelaufene Kilometer zu sammeln und seiner Witwe und deren Kindern zukommen zu lassen. Seither ist sie als Läuferin ihres Vereins Run for Hope immer wieder für andere karitative Projekte unterwegs.
Bodenständig
Erzählen tut Brigitte Daxelhoffer all dies weder in einem Fitnessraum, wo sie sich gerade eine Pause zwischen zwei Einheiten gönnen könnte, noch an einer Pressekonferenz, an der sie über ihre für Laien wahnwitzigen Projekte berichtet. Das Gespräch findet auf der Terrasse des Schlosses Schadau statt – bei Kaffee, Coca-Cola und Kuchen anstatt Wasser und Kraftriegel.
Lachend erwidert Daxelhoffer auf den verwirrten Blick: «Ich mag Eier und Käse – und ernähre mich ganz normal, auch wenn ich laufe.» Diese Bodenständigkeit hat die 41-Jährige ein Leben lang begleitet. Bäuerin oder Sportlerin wären immer Traumberufe gewesen, berichtet sie – aber der Vater habe für seine Töchter ein Studium vorgesehen.
Nach dem Gymnasium und einem Engagement bei der Crossair fing sie ein Jurastudium an, dann Tiermedizin, ohne aber eines abzuschliessen. «Nach einer Ausbildung zur Ernährungsberaterin nahm ich mich noch einmal zusammen und studierte Psychologie, was ich dann auch tatsächlich abschloss», fasst die Mutter einer neunjährigen Tochter zusammen.
Kurz nach der Geburt der Tochter trennte sie sich von deren Vater und lebt seither in Burgistein, «und zwar ganz bewusst», wie sie sagt: «Die Gantrischregion war immer schon ein wenig mein Trainingsberg. Da war es naheliegend, dass ich mir ein Zuhause in dieser Gegend suchte.» Wenn die Trainingsphasen intensiver sind oder wenn ein längerer Wettkampf ansteht, ist es dann jeweils Brigitte Daxelhoffers Mutter, die sich um ihre Enkelin kümmert.
Entspannt
Mit Gantrisch als Hinterhof und Eiger Ultra Trail als «Hauslauf» sei es naheliegend gewesen, ein Projekt mit Bezug zum Berner Oberland zu schaffen, sagt Daxelhoffer. So kommt es, dass sie am 13. September – sofern das Wetter mitspielt – auf dem Mönch auf 4107 Meter über Meer startet und via Aletschgletscher, Wallis und Aostatal ins rund 610 Kilometer entfernte Monaco läuft (vgl. Kasten) – unter anderem unterstützt vom Sportartikelhändler Intersport.
Die Vorbereitung sei mehr logistisch als körperlich, betont Daxelhoffer. So musste die Route festgelegt werden, ihr fünfköpfiges Begleitteam musste einen Camper und Verpflegung bereitstellen. Und: Brigitte Daxelhoffer hat gelernt, auf Kommando zu schlafen.
«Ich habe mir zum Ziel gesetzt, nicht dauernd bis ans Limit zu gehen, sondern einen Rhythmus von neun Stunden Laufen und drei Stunden Ruhezeit einzuhalten», sagt sie – und gönnt sich ein letztes Stück Apfelkuchen mit Rahm, bevor's mit der Tochter heim auf den kleinen Bauernhof mit Hunden, Katzen, Kaninchen, Ziegen und Hühnern geht.
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