Hoher GeburtstagSie hat das Virus zum «Lädele»
Rosalie Dummermuth wird am Sonntag 100 Jahre alt – und erinnert sich noch gut an frühere Zeiten.

«Es wird schön sein, wieder einmal alle beisammen zu haben», sagt Rosalie Dummermuth. Sie wird am Sonntag 100 Jahre alt und begeht dieses besondere Jubiläum als Tag des Wiedersehens nach der Pandemie. Sie sei erst spät Mutter eines Sohnes geworden und ihre Familie daher eher klein, erzählt die geistig frische Jubilarin, die sich als zweifache Gross- und ebenfalls zweifache Urgrossmutter glücklich schätzt.
Rosalie Dummermuth ist als Kind in ländlichen Verhältnissen aufgewachsen. Statt eines Welschlandjahres, das der Vater ihr nicht erlaubt hatte, absolvierte sie in einer Bäckerei in Wasen ein Haushaltlehrjahr. «Dort durfte ich auch im Laden helfen und habe dabei wohl das Virus zum ‹Lädele› eingefangen», sinniert die Seniorin. Sie suchte sich weiterhin Arbeit in Geschäftshaushalten und führte später in Rüegsauschachen zuerst einen eigenen kleinen Kiosk und danach auch einen Lebensmittelladen.
Turbulente Zeiten
Nach speziellen Erlebnissen befragt, kommt ihr gleich der turbulente Tag vor der Mobilmachung in den Sinn. Sie war etwa 18-jährig und arbeitete in Münchenbuchsee in einem Geschäft mit Schuhmacherei. «Damals hatten wir nicht einmal mehr Zeit zum Kochen, denn plötzlich mussten unzählige Schuhe rasch mit neuen Nägeln versehen werden und im Laden herrschte grosse Nachfrage nach Socken, Hosenträgern und sonstigen Gebrauchsartikeln.»
Auch andere Erlebnisse tauchen in ihren Erinnerungen auf. So etwa ihre Tätigkeit im Gasthof Sonne, wo viele internierte Polen verpflegt und deren Zimmer instand gehalten werden mussten, oder die Wohnungsnot, die 1944 herrschte, als Rosalie und Jakob Dummermuth heirateten. Sie führte dazu, dass sie nicht gleich ein eigenes Logis fanden.
Der eigene Laden
Rosalie Dummermuth half stets mit, das Familienbudget aufzubessern. Als sich die Gelegenheit bot, an der Rüegsaustrasse, vis-à-vis des Blumenladens, einen Hausteil mit Ladenlokal zu mieten, erfüllte sich ihr Traum vom eigenen Lebensmittelladen.
Aus dieser Zeit gäbe es etliche «Müsterli» zu erzählen, ebenso wie von den Erfahrungen, die sie zum Ende ihres Berufslebens als «Ablöserin» am Bahnhofkiosk in Hasle-Rüegsau machte. «Ich verstand mich immer gut mit der Kundschaft; es gab sogar Stammkunden, vor allem jene, die am Morgen früh auf den Zug eilten. Da bedurfte es oft keines einzigen Wortes, denn während sie noch am Hervorklauben des Geldes waren, konnte ich ihnen schon das richtige Päckli Zigaretten oder die gewünschte Morgenlektüre reichen», erzählt die Jubilarin lächelnd.
«Nun ist aber eine andere Zeit», wechselt sie das Thema. Heute ist sie im Alters- und Pflegeheim in Rüegsauschachen daheim. «Jetzt bin ich es, die sich über alle Handreichungen und viele liebevolle Gesten freut.»
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