Nachruf auf Feintool-Gründer Fritz BöschSich heraufzuarbeiten, gab ihm grosse Zufriedenheit
Fritz Bösch ist verstorben. Er machte die von ihm gegründete Feintool zum Weltkonzern – und engagierte sich stets auch für das Gemeinwesen.

Ein «mutiges Vorbild» sei er, schrieb Johann Schneider-Ammann, damals amtierender Bundesrat, über Fritz Bösch, den Gründer von Feintool, im Vorwort zu dessen Biografie 2014. Im Jahr zuvor fand ein anderer früherer Bundesrat lobende Worte: «Der Geehrte ist bekannt. Es verwundert nicht, dass er den Preis erhält. Aber das ist kein Grund dagegen, sondern erst recht ein Grund dafür», sagte Alt-Bundesrat Samuel Schmid, als Bösch am Entrepreneur Forum Lyss für sein Lebenswerk geehrt wurde.
Eine Ehrung, die Bösch besonders freute, erfolgte dagegen bereits 2005: Fritz Bösch wurde Ehrenbürger von Lyss. «Typische Berner Qualitäten» attestierte ihm dabei die damalige Berner Volkswirtschaftsdirektorin Elisabeth Zölch, zum Beispiel «Fleiss und Präzision», aber auch die Sorge um das Wohl der Mitarbeitenden: «Fritz Bösch ist ein Patron.»
Feintool, am 1. April 1959 von Bösch zusammen mit Wilfried Hügi in Biberist als Hügi & Bösch gegründet, ist heute ein international agierender Technologiekonzern. Er ist auf dem Weg zur Umsatzmilliarde, verfügt über sechzehn Standorte in sechs Ländern auf drei Kontinenten, beschäftigt 2600 Mitarbeitende.
Schuhe trug er nur am Sonntag
Dabei hätte alles auch ganz anders kommen können. Dann nämlich, wenn nicht Stürze und Verletzungen Böschs Karriere als Radsportler gebremst hätten. «Wäre er in seiner Jugend etwas weniger oft gestürzt, gäbe es die Firma Feintool vielleicht nicht», erzählte der damalige Phonak-Patron und selber radsportbegeisterte Andy Rihs bei der Ehrenbürgerfeier. Während damalige Kollegen von Bösch Radprofis wurden, schlug er einen anderen Weg ein, der aber zu Beginn nicht weniger entbehrungsreich war.
Nach einem anderthalbjährigen Aufenthalt bei Olivetti in Norditalien kehrte er in die Schweiz zurück und gründete das eigene Unternehmen. Die Arbeitstage waren lang und das Geld knapp, wie Böschs Biografie zu entnehmen ist. Er habe vorwiegend von Cervelats gelebt, erinnerte sich Bösch darin.
Sich durchbeissen zu müssen, war aber keine neue Erfahrung für ihn. Seine Kindheit in Zürich-Affoltern war von Armut geprägt: «Bei uns kam jeden Monat der Betreibungsbeamte vorbei», liess sich Bösch in der Biografie zitieren, Schuhe durfte er nur sonntags tragen. Er habe sich da geschworen, dass er nie so leben wolle.
Bösch absolvierte eine Lehre als Werkzeugmacher, daneben trainierte er täglich stundenlang mit dem Velo, und mit 18 gewann er alles, was es in seiner Umgebung an Velorennen gab. Eine Verletzung beim Skifahren und eine mit dem Rad liessen ihn dann allerdings auf die Karte des erlernten Berufs setzen.
Die Teile und die Technologie
Das eigentliche Fundament für die heutige Feintool legte Bösch 1962. Zu diesem Zeitpunkt trat Wilfried Hügi aus dem Unternehmen aus, und Bösch änderte den Namen zu «Feintool», eine Kombination aus «Feinschneiden» und «Werkzeug» (Tool). Die Teile und die Technologie, mit denen sie hergestellt werden: Noch heute sind dies die beiden Stützen des Feintool-Geschäftsmodells.
Am Anfang davon stand Böschs eigenhändiger Umbau einer Presse der Firma Osterwalder, die er zu einer Feinschneidpresse machte. Im Gegensatz zum Stanzen kann so Material gleichzeitig getrennt und umgeformt werden, was eine höhere Präzision ermöglicht. Diese Präzision in Verbindung mit hohen Stückzahlen machte Feintool zum idealen Autozulieferer, bis zu 200 von Feintool selber oder mit Feintool-Maschinen gefertigte Komponenten finden sich in modernen Autos.
Möglich wurde dies auch dank der gezielten Internationalisierung des Geschäfts. Schrittweise erschloss sich Bösch neue Märkte in Europa, verkaufte erste Feinschneidpressen in den USA und flog bereits 1963 erstmals nach Japan. Das Unternehmen wuchs, 1966 wurde der neue Hauptsitz in Lyss eingeweiht. 1998 erfolgte der Börsengang, das weitere Wachstum wollte finanziert sein; Bösch wechselte von der operativen Leitung in den Verwaltungsrat. Kurz danach erwarb die Familie Bösch die Mehrheit an der Firma Bigla.
Von der bitteren Trennung zur Heiterkeit
2006 stieg der Industrielle Micheal Pieper bei Feintool ein. Fritz Bösch verkaufte ihm einen Anteil von 5 Prozent, doch Pieper wollte mehr, und über die künftige strategische Ausrichtung von Feintool gingen die Meinungen auseinander. Über den Markt baute Pieper seine Beteiligung auf 29 Prozent aus und lancierte 2010 ein öffentliches Übernahmeangebot.
Eine geplante Gegenofferte kam nicht zustande, die Gründerfamilie verkaufte ihre Aktien an Pieper, Bösch zog sich von Feintool zurück. Es muss ein schmerzhafter Schritt für ihn gewesen sein. In seiner Biografie heisst es: «Kein Aussenstehender kann erfassen, was in jenen Momenten, Tagen, Wochen und Monaten in Fritz Bösch vorgegangen ist.»
Bei seinen seltener werdenden öffentlichen Auftritten in der Folge hatte er aber die Bitterkeit hinter sich gelassen. Bei der Ehrung 2013 zeigte er sich heiter und sagte im Gespräch mit dem «Bieler Tagblatt»: «Heute bin ich auf dem Weg, mich neu zu orientieren.» Fortan verbrachte er einen guten Teil seiner Zeit in Thailand. Ein Jahr zuvor hatte er die gemeinnützige Stiftung Fritz Bösch gegründet. Diese unterstützt Menschen mit eingeschränkten finanziellen Ressourcen in der Erstausbildung und im Ingenieurstudium, aber auch Nachwuchssportlerinnen und –sportler.
Breites gemeinnütziges Engagement
Zeitlebens hatte er sich nicht nur als Unternehmer, sondern auch für die Gesellschaft engagiert, insbesondere im Bereich seiner grossen Leidenschaft, dem Radsport. So förderte er nicht nur den Radprofi Fabian Cancellara schon früh, sondern auch den Frauenradsport. Dass die Berner Rundfahrt in Lyss florierte, ist ihm zu verdanken, das Velodrome in Grenchen wurde auch dank seiner Hilfe möglich.
Auch beim Fussballclub BSC Young Boys engagierte sich Bösch. In den Nullerjahren war er zeitweise deren Präsident, hielt Anteile an der Sport & Event Holding AG und war Verwaltungsrat der Stade de Suisse Wankdorf Nationalstadion AG. YB-Fan blieb er lebenslang, was sich in der Mitgliedschaft des President’s Club von YB ausdrückte.
Im Rückblick zeigte sich Fritz Bösch tief zufrieden. 2014 sagte er gegenüber dem «Bieler Tagblatt»: «Sich von unten heraufzuarbeiten, gibt einem eine grosse Zufriedenheit. Ich lebte ein tolles Leben, war immer gefordert, es gab immer wieder Probleme zu lösen. Dies ist mir relativ gut gelungen.»
Fritz Bösch starb am 31. August im Beisein seiner Familie im Alter von 88 Jahren. Er hinterlässt seine Frau Irmgard Bösch-Kaufmann, die er mit 23 geheiratet und mit der er vier Kinder hatte. Und ein unternehmerisches Lebenswerk, das Tausenden Menschen in vielen Teilen der Welt ein Einkommen sichert, auch und gerade im Seeland.
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