Was den Stil angeht, trennt den Präsidenten der Vereinigten Staaten schon mal nicht mehr viel von den Herrschern von Saudiarabien. Sein aggressiv formuliertes, mit acht Ausrufezeichen garniertes Communiqué zum Mord am Journalisten Jamal Khashoggi begann Donald Trump mit dem Satz: «Amerika zuerst!» «Die Welt ist ein sehr gefährlicher Ort!», hiess es im zweiten Satz. Wäre da nicht das Signet des Weissen Hauses im Briefkopf: Man würde als Verfasser des Statements kaum je den Inhaber des Oval Office vermuten.
Problematischer als der Stil ist allerdings der Inhalt des Schreibens. Darin erklärt Trump, dass es unwichtig sei, welche Rolle der saudische Kronprinz Muhammad bin Salman beim Mord an Khashoggi spielte. An der Unterstützung der USA für Saudiarabien werde sich nichts ändern. Damit schlägt Trump zwar keine grundlegend neue Richtung ein – schon seit Wochen gibt er für das Regime in Riad das Sprachrohr, indem er dessen Dementis übernimmt. Doch dass Trump das tut, nachdem inzwischen auch seine eigenen Geheimdienste von der Mitverantwortung des Kronprinzen überzeugt sind, macht die Sache noch ein bisschen hässlicher.
Botschaft: Es ist egal, was ihr tut
In gewisser Hinsicht ist das gestrige Communiqué denn auch das Destillat der Trump-Doktrin, die zynische Botschaft an die Autokraten dieser Welt: Es ist egal, was ihr tut, solange wir mit euch ins Geschäft kommen können. Ihr könnt einen Regimekritiker ermorden, zerstückeln, in Säure auflösen: Wir werden euch nicht zur Rechenschaft ziehen.
Nun ist es so, dass sich amerikanische Präsidenten schon immer in einem Spannungsfeld bewegten zwischen harter Interessenpolitik und der Orientierung an Werten, die das Land gerne hochhält: Freiheit, Demokratie, Menschenrechte. Die Frage nach der richtigen Balance zwischen Realismus und Idealismus stellte sich bereits in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit, als sich die USA entscheiden mussten, für wen sie im Krieg in Europa Partei ergreifen: für die Revolutionäre in Frankreich, die ihre Vorstellungen teilten? Oder für die einstige Kolonialmacht Grossbritannien, mit der die Amerikaner Handel betreiben wollten?
Wessen Interessen vertritt Trump?
Die meisten Präsidenten fanden dabei einen Mittelweg, für den sie oftmals und oftmals zu Recht einer gewissen Heuchelei bezichtigt wurden. Trumps Verteidiger betonen gerne, dass er mit seinem offen amoralischen Verhalten diese Heuchelei doch bloss offenlege, gerade was den Umgang mit Saudiarabien betrifft. Wer so argumentiert, sieht erstens darüber hinweg, dass Rhetorik auf der internationalen Bühne durchaus Gewicht hat. Wenn die saudischen Herrscher schon wegen eines kritischen Tweets der kanadischen Aussenministerin am Rad drehen, wie das vor einigen Monaten der Fall war: Wie würden sie dann auf eine klare Verurteilung ihrer Taten durch den amerikanischen Präsidenten reagieren? Bin Salman hat im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass ihm an seinem Image als Modernisierer viel liegt.
Zweitens stellt sich die Frage, wessen nationale Interessen Trump mit seiner bedingungslosen Unterstützung des Kronprinzen vertritt. Eine Reihe von Dingen, die der Wüstenstaat unter der Führung des Kronprinzen unternommen hat, war kaum zum Vorteil der USA – nicht der von den Saudis herbeigeführte Konflikt mit Katar, nicht der katastrophale Krieg, den bin Salmans Streitkräfte im Jemen führen. Hinzu kommt, dass Saudiarabien wirtschaftlich und militärisch viel abhängiger ist von den USA als umgekehrt, auch wenn Trumps Servilität gegenüber Riad den gegenteiligen Eindruck erweckt. Drittens bleibt die Feststellung, dass auch der Einsatz für Menschenrechte im Interesse der USA ist: Weil Menschenrechte langfristig Frieden und Stabilität sichern.
Das Signal, das Trump mit seiner Anbiederung an Gewaltherrscher aller Couleur aussendet, ist dafür längst nicht mehr zu übersehen. Der frühere US-Diplomat Michael McFaul hat darauf hingewiesen, dass in Trumps Amtszeit sowohl Wladimir Putin, Kim Jong-un wie auch bin Salman Morde an Bürgern auf fremdem Territorium angeordnet hatten. Keiner von ihnen wurde dafür von Trump öffentlich kritisiert.
Doch erhalten hat der US-Präsident dafür bisher nicht viel: Russland besetzt nach wie vor die Krim, neue Verträge über Rüstungskontrollen sind nicht in Sicht. Nordkorea hat zwar die nukleare Abrüstung versprochen, doch ob das Regime damit auch Ernst macht, ist mehr als zweifelhaft. Und die Waffendeals mit den Saudis werden von Trump in ihrem Umfang nicht nur masslos übertrieben, sondern bestehen ebenfalls vor allem aus Versprechen.
Was also bleibt von der Trump-Doktrin? Vielleicht ist es einfach so, wie der US-Präsident selber geschrieben hat: Die Welt ist ein sehr gefährlicher Ort. Und nichts, was er bisher getan hat, hat daran etwas geändert.
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Seine zynische Botschaft an die Autokraten dieser Welt
Der Freipass für den saudischen Kronprinzen ist ein Destillat der Trump-Doktrin: Geschäfte sind wichtiger als Morde.