Seaside: Die Energie der Rock-Klassiker am Classic-Rock-Day
Bevor der Brienzer Marc Trauffer um Mitternacht mit seiner Folkloreshow für Stimmung sorgte, stand am zweiten Festivaltag eine grosse Portion Rock auf dem Programm – dargeboten von vielen gestandenen Männern über 60.
Einen ausverkauften Samstag prognostizierte Seaside-Organisator Philippe Cornu in einem Interview Mitte Juni. Und einen Altersdurchschnitt von 50 plus im Publikum. Ersteres traf zu.
Einige hoffnungsvolle, aber ticketlose Rockfans bettelten vor der Eingangskontrolle um ein übrig gebliebenes Billett; mit mässigen Erfolgsaussichten allerdings. Zu der Zeit stimmten Span auf der Bühne bereits ihren ersten bekannten Titel an, das «Liebefeld».
Zu Cornus zweiter Prognose: Ja, sie stimmt vermutlich ebenfalls. Augenfällig war aber dennoch, wie viele jüngere Semester zu diesem Classic-Rock-Day strömten. Für viele war es der Anlass zu einem Familienausflug.
Ein bunt gemischtes Publikum also, aber ziemlich einheitlich, was die Kopfbedeckung angeht: Die orangen Sonnenhüte des Hauptsponsors waren bei Temperaturen von zeitweise über 30 Grad heiss begehrt, und auch die Bierverkäufer der Niesen-, der Hopfen- und weiteren Bars hatten alle Hände voll zu tun.
Classic-Rock-Day: Der Name war Programm. Und gab den Hinweis, dass auch auf der Bühne wohl nicht allzu viele Mittzwanziger in die Saiten griffen. Den Auftakt machten, wie schon erwähnt, die Berner Rocker Span mit ihren singenden Chefs Schöre Müller (63) und Christoph Kohli (68), die ihren Auftritt in Spiez sichtbar genossen.
Es war erst ihr drittes Konzert in diesem Jahr, und jenes auf der mit Abstand grössten Bühne. Für Hühnerhaut sorgte vor allem der Refrain des Span-Klassikers schlechthin, «Louenesee», gesungen unisono von Tausenden Besuchern am Thunersee.
Kurz nach 15 Uhr verliessen Span die Bühne zum ersten Umbau; im Publikum machte man sich auf die Suche nach einem vorübergehenden Schattenplatz oder nach einer Abkühlung. Eine halbe Stunde später kündigte der Speaker die nächsten Klassiker an.
The Hooters aus den USA, seit bald 37 Jahren «on the road», ohne die ganz grossen Hits, aber doch mit einigen bekannten Titeln. Von der Urbesetzung dabei sind Rob Hyman (67) an den Tasten sowie Schlagzeuger David Uosikkinen (61) und Sänger Eric Bazilian (64). Dieser spielte das Intro zum hymnenhaften «Johnny B» auf einer Blockflöte und sorgte damit am gitarrenlastigen Samstag in Spiez für etwas Einzigartiges.
Apropos Gitarre: Der wohl brillanteste Gitarrist am Samstag auf der Bühne hat die Siebzig schon hinter sich gelassen: Mick Rogers (71) ist bei Manfred Mann's Earth Band der Saitenkünstler der ersten Stunde und ein Virtuose, dem entsprechend viel Raum für Soli zuteil wird.
Hingegen hält sich Manfred Mann (76) über weite Strecken hinter seinem Instrumentenwall (drei Keyboards übereinander) in einer Ecke der Bühne versteckt. Der kauzige Mann hatte seinen grössten Erfolg 1973 mit dem Bruce-Springsteen-Cover «Blinded by the Light». Das von Manfred Mann zuerst veröffentlichte «Mighty Quinn» hat übrigens Bob Dylan geschrieben.
«Mighty Quinn» war an jenem Abend übrigens als einziger Titel zweimal zu hören. Auch Krokus machen damit gern Stimmung und spielten den Song – wie zuvor Manfred Mann – als Zugabe. Als Abschluss der rockigsten Darbietung am Seaside Festival, wenn man Rock mit schmetternden Gitarren definiert.
Gleich drei Gitarristen sind bei Krokus an Bord. Einer davon ist Gründungsmitglied Fernando von Arb (64); er spielt an der Seite von Tausendsassa Chris von Rohr (65) am Bass und Sänger Marc Storace, der auch mit 65 Jahren noch die höchsten Töne erreicht. Der erfolgreichste Schweizer Rockexport bot nicht nur etwas fürs Ohr, sondern auch fürs Auge: Ganze acht Marshall-Gitarrenboxen werden nebeneinander gestapelt – angeschlossen waren nur deren zwei, wie ein Blick von hinter der Bühne verriet.
Die Sonne war längst untergegangen, als es Zeit wurde für den grössten Kracher des Abends: Status Quo, die Gruppe, die angekündigt hat, dass sie künftig vermehrt ohne Stromgitarren unterwegs sein will. Ihre Fans in Spiez dürften froh gewesen sein, dass «Caroline», «Whatever You Want» und Konsorten so daherkam, wie man das von den Briten seit Mitte der 60er-Jahre gewohnt ist.
Den Leadgesang teilten sich Bassist John Edwards (64) und Gitarrist Francis Rossi (68), das letzte verbliebene Gründungsmitglied. Das bekannte Klavierintro zu «Rockin' All over the World» lieferte Andy Bown (71). Es war eine gepflegte Show ohne grosse Überraschungen, aber getragen von vielen erfreuten Fans.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch