Schweizer Zement-Riese wegen Kinderarbeit am Pranger
LafargeHolcim wird den Vorwurf, in Uganda von Kinderarbeit profitiert zu haben, nicht mehr los. An ihm lassen sich Grenzen der Konzernverantwortung aufzeigen.

Die Menschenrechtsaktivisten lassen nicht locker. Mit einem Statement und Videos von Kindern, die in Uganda billig Rohstoff für LafargeHolcim gefördert haben sollen, appellieren sie in Dübendorf an der Generalversammlung an die Verantwortung des Zementkonzerns. Bis 2017 habe LafargeHolcim jahrelang von insgesamt 150 Arbeitern im Altern 12 bis 17 Jahren Pozzolan gekauft, einen Hilfsstoff für die Zementproduktion. Jetzt soll der Konzern den Jugendlichen als Wiedergutmachung wenigstens eine Ausbildung finanzieren. Doch «LafargeHolcim lässt die Opfer im Stich».
LafargeHolcim schreibt, man sei den bereits 2017 vorgebrachten Anwürfen der Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer nachgegangen. Eine Untersuchung unabhängiger Experten habe keine Hinweise auf Kinderarbeit ergeben. Dennoch engagiere sich die Firma vor Ort in verschiedenen Projekten zugunsten der lokalen Bevölkerung. Die schweizerisch-französische Firma betont, sie akzeptiere keine Kinderarbeit in der Lieferkette.
Wie weit reicht die Verantwortung?
Interessant ist die Auseinandersetzung im Lichte der politischen Diskussion um die Konzernverantwortung. Mit der 2016 eingereichten Konzerninitiative wollen 97 Hilfswerke Schweizer Firmen haftbar machen für Verstösse gegen Menschenrechte oder Umweltschäden im Ausland. Seit letzter Woche existiert ein Gegenentwurf dazu. Entwickelt hat ihn der Rechtsprofessor und SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt zusammen mit dem CSP-Nationalrat Karl Vogler.
Vogt erläutert am vorliegenden Streitfall den Unterschied zur Initiative: Im Endeffekt müsste der Konzern keinen Schadenersatz leisten, wenn statt der Initiative der Gegenentwurf Gesetz würde. Das hält Vogt auch für angebracht: «Es ist zwar richtig, dass ein Schweizer Unternehmen in einem Fall wie diesem etwas unternehmen muss, gleichzeitig wäre es falsch, wenn es dafür zu haften hätte.»
Denn die Kinder waren weder direkt noch indirekt angestellt beim Unternehmen. Der Rohstoff gelangte über Zwischenstationen zum Konzern. Die Jugendlichen verkauften ihn an selbstständig arbeitende Lastwagenchauffeure. Diese belieferten eine Tochterfirma von LafargeHolcim. Im Wesentlichen gälte es für Kläger in diesem Fall, zwei zusätzliche Hürden gegenüber der Initiative zu überwinden.
Erstens müsste ein von der Schweiz unterzeichnetes internationales Abkommen verletzt sein. Zweitens müssten die Verstösse bei einer vom Mutterkonzern kontrollierten Firma geschehen sein. In Uganda könnten Kläger laut Vogts Einschätzung die erste Hürde eventuell nehmen, die zweite dagegen nicht. Ganz abgesehen davon wäre LafargeHolcim aufgrund des Gegenentwurfs aber ohnehin nicht zu irgendwelchen Leistungen verpflichtet, etwa zur Bezahlung einer Ausbildung für die Jugendlichen, wie dies jetzt die Hilfswerke fordern.
Einfach weitermachen wie bisher wäre dennoch nicht möglich: «Sonst würde LafargeHolcim ihre Sorgfaltspflicht verletzen», erläutert er. Sie müsste den Lieferanten darauf hinweisen, dass man seine Ladungen nur noch kauft, wenn die Rohstoffe nicht durch Kinder abgebaut worden sind. Das hat im vorliegenden Fall dazu geführt, dass die Kinder ihre Arbeit verloren haben, wie die Hilfswerke in ihrem heutigen Communiqué selber einräumen.
Die Krux der Moral
Darin liegt für Vogt das Dilemma einer weltweiten Konzernverantwortung, das auch der Gegenentwurf nicht auflösen könne: «Was wir in der Schweiz als falsch empfinden, muss es nicht zwingend auch in einem anderen Land sein», gibt er zu bedenken. Dennoch: «Das konkrete Beispiel zeigt, wie der Gegenentwurf das Risiko für Schweizer Unternehmen beschränkt und eine sachgerechte Antwort für die komplexe Problematik bietet.»
In der Wirtschaft gibt es derzeit noch keinen Konsens dazu. Während die einen jegliche Regelung ablehnen, wollen andere zum Kompromiss Hand bieten. Der Nationalrat wird sich in der Sommersession im Rahmen der Aktienrechtsreform mit dem Thema befassen. Das Initiativkomitee erwägt derzeit einen Rückzug der Initiative, wenn das Parlament einen wirkungsvollen Gegenentwurf beschliesst.
LafargeHolcim ist – egal, wie die rechtliche Situation heute aussieht – sowieso nicht aus dem Schneider. Das Unternehmen tut sich schwer mit der Aufarbeitung der Vorwürfe. Zwar hat es eine unabhängige Untersuchung durchgeführt. Herausrücken will das Unternehmen das Papier allerdings bisher nicht. Nun legen die Hilfswerke mit Video-Statements von ehemaligen Kinderarbeitern nach.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch