Schweizer Strafbehörden am Anschlag
Bei der Bundesanwaltschaft steigt die Zahl der Verfahren. Auch kantonale Staatsanwälte kämpfen mit mehr und komplexeren Fällen.

Angespannt tönte der Bundesanwalt Michael Lauber heute bei der Präsentation des aktuellen Tätigkeitsberichts. Sein Team sieht sich mit immer mehr Arbeit konfrontiert. Ein Indikator dafür sind die Ende Jahr hängigen Strafuntersuchungen. 2017 waren es mit 478 acht Prozent mehr als im Vorjahr. Da die Verfahren komplexer und internationaler würden, sei die Behörde mit ihren 220 Angestellten stark gefordert. Das mache eine «harte Priorisierung» unumgänglich, so Lauber.
Laubers deutsche Kollegen schlugen Ende 2017 sogar Alarm. Die Zahl der Verfahren im Zusammenhang mit Terrorismus beispielsweise habe sich fast verfünffacht. Man arbeite «am Anschlag oder darüber hinaus». Bereits müssten Verfahren an die nächst untere Ebene abgegeben werden. Dies ist in der Schweiz bisher nicht feststellbar.
Bern: Bis 90 Fälle pro Staatsanwalt
Doch auch auf kantonaler Ebene wird die Belastung nicht geringer, wie eine kleine Umfrage aufzeigt. In Luzern verzeichnete man 2017 eine rekordhohe Zahl von Fällen, vier Prozent mehr als im Vorjahr. Christof Scheurer, Informationsbeauftragter der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, kann diesen Trend für Bern bestätigen. Gegenüber 2016 stieg die Zahl der Fälle um 5 Prozent: «In einigen Regionen betreuen Staatsanwälte bis zu 90 Fälle.» Das seien deutlich zu viel, was deren effiziente Bearbeitung gefährde. Der Zielwert liege bei rund 60 Fällen pro Staatsanwalt. Als Folge davon verlängert sich auch in Bern der Stau an unerledigten Fällen.
Fabien Gasser, Präsident der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz, will den Zustand nicht überzeichnen. In Freiburg, wo er als Generalstaatsanwalt amtet, seien die Fälle beispielsweise gegenüber dem Vorjahr gesunken, nicht aber die Belastung. Als Ursache weist er auf die 2011 eingeführte neue Strafprozessordnung hin. Sie habe den Aufwand enorm vergrössert. Leider sei keine Besserung in Sicht. Nebst der Prozessordnung führt der Landesverweis krimineller Ausländer zu Mehrarbeit. Und schliesslich macht den kantonalen Staatsanwaltschaften dieselbe Entwicklung zu schaffen wie dem Bundesanwalt: Komplexere und internationale Fälle, insbesondere im Bereich der Wirtschaftskriminalität würden zur grossen Herausforderung.
Scheurer hebt darin die Cyberkriminalität als neues und stark wachsendes Phänomen hervor. «Wir müssen hier neues Spezialwissen aufbauen», sagt er. Der Kanton Luzern setzt darum auf Spezialisierung: Seit 2016 stellt er vier Staatsanwälte für diese Aufgaben ab.
Der Ruf nach zusätzlichem Personal ist unüberhörbar.
Bisher, bestätigen alle angefragten Stellen, habe die hohe Belastung in der Regel keine Abstriche in der Qualität zur Folge. Die Verfahren würden jedoch länger, räumt Gasser ein. Er beobachtet auch, dass die Dauer der Untersuchungshaft zunimmt. Dass Fälle wegen fehlender Personalressourcen verjährten, dazu sehen weder Scheurer noch Gasser konkrete Anzeichen.
Der Ruf nach zusätzlichem Personal ist jedoch unüberhörbar. In Bern konnte die Behörde vor einigen Jahren auf 350 Personen (davon rund 80 Staatsanwälte) aufstocken, doch ein nächster Antrag liegt bereits auf dem Tisch. In Luzern warnt Oberstaatsanwalt Daniel Burri im 2018 vorgelegten Tätigkeitsbericht zum letzten Jahr: «Kriminalität kann nur wirksam bekämpft werden, wenn die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden.»
Der Terrorismus, dessen Bekämpfung Deutschlands Bundesanwaltschaft 2017 an den Rand ihrer Belastungsfähigkeit brachte, fordert zwar auch die Schweizer. Doch die Zahl der hängigen Fälle sank gegenüber dem Vorjahr sogar von 35 auf 34 Fälle. Neu eröffnet wurden 17 Verfahren.
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