Wie Berggebiete die Talfahrt stoppen
Die Denkfabrik Avenir Suisse rät den Berggebieten, Kräfte zu bündeln, Besitzer von Zweitwohnungen ins Boot zu holen und den Strukturwandel im Tourismus voranzutreiben.

Die Zukunft der Berggebiete ist nicht einfach Schicksal: Davon ist die liberale Denkfabrik Avenir Suisse überzeugt. Sie stellt Strategien zur Debatte, wie sich Bergregionen trotz Krise im Tourismus und im Bau und trotz Abwanderung entwickeln können und so den Strukturwandel erfolgreich meistern.
Zusammenschlusszu Talgemeinden
«Es gibt gute Gründe, Kräfte zu bündeln», sagte am Dienstag Daniel Müller-Jentsch von Avenir Suisse vor den Medien. Gelinge es, kleinteilige Strukturen zu überwinden, gebe es weniger Landschaftsverschleiss, und man könne Infrastrukturkosten sparen.
Die naheliegende Lösung sei der Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einer Talgemeinde, die handlungsfähig und effizient sei. Als Beispiel nennt Müller-Jentsch in seiner Studie das Val d'Anniviers mit sechs Gemeinden, die im Bewusstsein ihrer Bürger zu einer Einheit zusammengewachsen seien.
Den Tourismus gesundschrumpfen
Laut Avenir Suisse gibt es noch zu viele kleine Hotels, zu viele kleine Skigebiete und zu wenig Nischenstrategien. Wenn im Tourismus Anbieter verschwinden, so sei das eine Chance: «Die Branche kann sich gewissermassen gesundschrumpfen», hält die Denkfabrik fest.
Die Berggebiete müssten den Wandel aber aktiv gestalten, sich zu regionalen Marketingorganisationen zusammenschliessen und ihre Profile schärfen. In Zeiten von Pauschalreisen dürfe man den Touristen ausserdem nicht länger zumuten, alles einzeln organisieren zu müssen, von der Parkplatzgebühr bis zu den Skistöcken für die Kinder.
Dass eine Produktbündelung möglich sei, zeige die Destination Flims-Laax mit Fokus auf Snowboarder und Freestyler. Dort sei mit der Weisse-Arena-Gruppe AG ein voll integriertes Dienstleistungsunternehmen entstanden, welches den Kunden ein Gesamterlebnis bieten könne. Leider fehle es an Nachahmern.
Auf Zweitwohnungsbesitzer zählen
Das Ja zur Zweitwohnungsinitiative habe den «ohnehin überfälligen» Strukturwandel im Zweitwohnungssektor forciert, so Avenir Suisse. Jetzt gelte es, den Bausektor statt mit Neubauten mit der Erneuerung der bestehenden Gebäude zu beschäftigen.
Ausserdem brauche es Anreize, damit aus kalten warme Betten werden. Eine Möglichkeit sei, dass sich Hotels der Vermietung von Zweitwohnungen annehmen. Und in Brigels kooperiere das Ferienresort Pradas mit IT-Firmen.
Diese schicken Mitarbeiter unter der Woche zum ungestörten Arbeiten an Projekten in das Resort, und am Wochenende könnten die Familien nachkommen. Doch nicht nur das Potenzial der Zweitwohnungen, sondern vor allem auch dasjenige der Besitzer gelte es zu nutzen: «Sie sind in der Regel vermögend, gut ausgebildet, mobil und verfügen über ein grosses Netzwerk», so Müller-Jentsch.
Er empfiehlt den Berggebieten deshalb, die Zweitwohnungsbesitzer nicht nur als Einnahmequelle, sondern als Partner zu betrachten und ihnen Mitspracherecht zu gewähren. So bringe sich in der Gemeinde Medel GR etwa ein Manager aus dem Unterland als Hotelbesitzer und Gemeindepräsident ein.
Industrie, Landwirtschaftund Handwerk nutzen
Innovationspotenzial gibt es laut Avenir Suisse auch beim Handwerk oder bei der Landwirtschaft. Dies zeigten ausländische Beispiele wie etwa der Holzbau in Vorarlberg. Die Denkfabrik verweist zudem auf die wichtige Rolle von Bildungsinstitutionen. So gebe es zum Beispiel in Sitten einen Ableger der Universität Lausanne.
Schrumpfungsprozessenicht blindlings bekämpfen
Und schliesslich gibt es entlegene, dünn besiedelte Regionen, zum Beispiel im Gotthardgebiet, wo selbst Subventionen den Schrumpfungsprozess nicht stoppen können, hält Avenir Suisse fest.
Dann sei es sinnvoller, das Schrumpfen zuzulassen – ein Rufbussystem aufzubauen, statt um die Postautolinie zu kämpfen, einen Hausservice einzurichten statt um die Poststelle zu ringen, die Schulschliessung zu akzeptieren.
Bereits heute gebe es zahlreiche Täler, die nicht mehr ganzjährig besiedelt seien, das sei kein Drama und die Sorge vor der Stilllegung deshalb übertrieben. Und wer weiss: Vielleicht habe ja ein Internat oder eine Gesundheitsklinik gerade Interesse an der so entstandenen Abgeschiedenheit.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch