«Vorher mehr zu tun, wäre angezeigt gewesen»
Nach dem Ja zur Zweitwohnungsinitiative reibt sich die Schweiz die Augen. Hat man die Initiative unterschätzt? Politologe Claude Longchamp hat das Abstimmungsverhalten analysiert.

Das Flachland gegen die Alpen – ist das zu undifferenziert? Wo verläuft der Graben bei der Zweitwohnungsinitiative?
Prima vista stimmt das Bild. Das hat mit der Betroffenheit zu tun. Bei genauerem Hinsehen sind die betroffenen Gebiete aber nicht einheitlich: Krass war die Ablehnung der Initiative in betroffenen Regionen mit wenig entwickelter Gesellschaftsstruktur, wo man Angst vor der Zukunft hat. Das wird umso deutlicher, je mehr es sich um geschlossene Räume mit hohem Katholiken-Anteil handelt. Die wollen sich von niemandem dreinreden lassen. Hier hat auch das Nein der CVP verstärkend gewirkt. Ganz anders haben sich beträchtliche Teile in Graubünden entschieden, vor allem da, wo man generell ökologischer stimmt, nachhaltige Entwicklung als Teil der Zukunftsinvestitionen sieht. Und nochmals anders sind die Entscheidungen in urbanen Gebieten, die betroffen sind, zum Beispiel in der Region von Locarno oder von Interlaken. Dort trugen die vermehrt linken Stimmen, aus den Reihen von SP und Grünen, zum teilweise mehrheitlichen Ja bei. Ich schätze, dass insgesamt gut ein Drittel der Stimmen aus den betroffenen Gebieten für die Initiative war. Ohne diese wäre sie nicht angenommen werden.