Via Altar schneller zum roten Pass
Wenn ein Schweizer eine Russin heiratet, erhält sie den roten Pass rascher und einfacher als ein Italiener, dessen Familie seit Jahrzehnten hier lebt. Das findet selbst ein SVP-Ständerat «absurd».

Der einfachste Weg zum roten Pass führt über das Standesamt. Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen oder Schweizern werden privilegiert eingebürgert. Für sie gilt bereits heute ein erleichtertes Verfahren, das kürzer ist und weniger kostet, da allein der Bund zuständig ist. Wer hingegen hier geboren und zur Schule gegangen ist, muss den beschwerlicheren Weg der ordentlichen Einbürgerung beschreiten.
Ordentlich oder erleichtert – das klingt nach einer Formalität. Diese Frage genügt jedoch, um einen Abstimmungskampf zu lancieren, der zusehends emotional wird, seitdem kürzlich ein SVP-Komitee das Burka-Schreckgespenst aus der Mottenkiste geholt hat, um auf Plakaten Stimmung gegen die Vorlage zu machen.
Konkret stimmt die Schweiz am 12. Februar darüber ab, ob in Zukunft neben ausländischen Ehegatten auch hier geborene junge Ausländer der dritten Generation von einer erleichterten Einbürgerung profitieren sollen. Bei ihnen handelt es sich mithin um die Enkel der Einwanderergeneration, primär Italiener, daneben Türken und Angehörige von Staaten Südosteuropas. Zur Debatte steht bei der Abstimmung das Verfahren. Inhaltlich hingegen – bei den diversen Einbürgerungskriterien – soll sich nichts ändern.
Unterschiedliche Ellen
Das heutige Regime stösst viele Ausländer, deren Familien seit Jahrzehnten hier leben, vor den Kopf. Sie fragen sich, warum für sie die Hürden der Einbürgerung höher sind als für ausländische Ehegatten, die bereits nach fünf Jahren in der Schweiz erleichtert zum Pass kommen.
Das heutige Regime stösst viele Ausländer, deren Familien seit Jahrzehnten hier leben, vor den Kopf.
Auch das Parlament hält diese Regelung schon lange für untragbar – mit Ausnahme der SVP. Sie hat bisher an der Urne erfolgreich alle Versuche gestoppt, hier geborenen Ausländern entgegenzukommen.
Die «Bürgerqualitäten»
Allerdings ist die jetzige Vorlage vorsichtiger als frühere Reformvorschläge. Sie findet vereinzelt sogar in der SVP-Bundeshausfraktion Unterstützung. Der Schwyzer Ständerat Alex Kuprecht stimmte der Reform zu und befürwortet sie auch weiterhin, wie er auf Nachfrage sagt.
Kuprecht argumentiert vor allem mit der «absurden» Benachteiligung der dritten Generation im Vergleich mit ausländischen Ehegatten. «Hier stimmt die Verhältnismässigkeit überhaupt nicht», sagt er. Seine Parteikollegin, Nationalrätin Yvette Estermann (LU), unterstützt die Reform ebenfalls. Die grosse Mehrheit der SVP hingegen lehnt die Vorlage ab, ein einziger Delegierter stimmte letzten Samstag für die Ja-Parole.
Die Partei will, dass auch Ausländer der dritten Generation weiterhin das ordentliche Verfahren absolvieren. So liessen sich ihre «Bürgerqualitäten» besser überprüfen, befand der Walliser SVP-Staatsrat Oskar Freysinger.

Gleichzeitig hat die SVP gegen die erleichterte Einbürgerung ausländischer Ehegatten nichts einzuwenden. Bei ihnen kommt das einfachere Verfahren sogar dann zum Zug, wenn das Paar im Ausland heiratet und lebt. Wer eine Auslandschweizerin ehelicht und «eng mit der Schweiz verbunden ist», kann den Pass nach sechs Jahren erleichtert beantragen, ohne je hier gelebt zu haben.
Diese «enge Verbundenheit» ist bereits erreicht, wenn man alle paar Jahre die Schweiz besucht, knapp eine Landessprache spricht und in Auslandschweizervereinen mittut. Wer dies belegt, qualifiziert sich für die erleichterte Einbürgerung.
Erleichtert vs. ordentlich
Was sind denn nun die Unterschiede zwischen erleichtert und ordentlich? Vor allem ist im zweiten Fall nicht der Bund allein zuständig, sondern es dreht das ganze «Karussell»: Gemeinde, Kanton, Bund. Das erleichterte Verfahren dauert rund 18 Monate und kostet 750 Franken.
Beim ordentlichen unterscheiden sich Ablauf, Dauer und Kosten je nach Kanton stark. Gemäss den verfügbaren Angaben dauert dieses Verfahren generell klar länger, die Kosten sind je nachdem bis zu fünfmal höher. Auch der persönliche Aufwand ist grösser, etwa mit dem Einbürgerungsgespräch und dem Wissenstest.
«Hier stimmt die Verhältnismässigkeit überhaupt nicht.»
Diese Hürden müssen auch junge Ausländer der dritten Generation nehmen. Ihnen können auch die – wieder sehr unterschiedlichen – Wohnsitzfristen von Kantonen und Gemeinden in die Quere kommen. Wenn sie umziehen, müssen sie allenfalls Jahre warten. Im Extremfall – in Uri – muss man zehn Jahre im Kanton leben, bis man ein Gesuch einreichen darf.
Schon ein Umzug ins Nachbardorf kann problematisch sein. Bündner Gemeinden können Wohnsitzfristen von bis zu zwölf Jahren festlegen. Doch zumindest in diesem Bereich sind die Hürden so oder so bald etwas tiefer: Ab 2018 dürfen die Fristen von Kantonen und Gemeinden maximal fünf Jahre betragen. Ob dies für junge Ausländer der dritten Generation noch eine Rolle spielt, zeigt sich am 12. Februar.
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