Stimmenkauf mit der Kreditkarte der Kinder
Fabian Schäfer, Leiter Politikteam, zum Entscheid über die AHV-Reform.
Sie haben es geschafft. Eiskalt zogen SP und CVP ihr Powerplay vom Sommer 2015 bis heute durch. Heute Donnerstagmittag konnten sie jubeln, ihre Rentenreform hat die Beratung im Parlament überlebt. Die sozial-christliche Allianz drückte auch den 70-Franken-Zuschlag für Neurentner durch. Die Mehrheit im Nationalrat lehnt diesen AHV-Ausbau zwar immer noch ab. Aber die GLP wollte deswegen nicht die ganze Reform versenken. Das ist zwar mutlos, aber nachvollziehbar.
Wer will schon bei einer derart dringlichen Reform einen Scherbenhaufen provozieren? Zudem: Es ist vernünftig, den Entscheid dem Stimmvolk zu überlassen. Stürzt die Reform an der Urne ab, ist das Risiko einer Blockade kleiner. Hätte der Nationalrat hingegen die Reform gestern abgeschossen, hätten sich die Fronten noch weiter verhärtet, mit potenziell fatalen Folgen für die Altersvorsorge.
So gut es ist, dass die Vorlage an die Urne kommt, so gut wäre es auch, wenn sie dort scheitert. Diese Rentenreform ist unehrlich, um nicht zu sagen feige. Das soll nicht heissen, dass sie gar keine Verbesserungen bringt, doch diese beschränken sich auf den obligatorischen Teil der 2. Säule. Die Probleme der AHV hingegen werden mit dieser Reform nicht gelöst, sondern verschärft. Die bürgerliche Mehrheit schreckte sogar davor zurück, die überholten Privilegien für Witwen ohne Betreuungsausfgaben einzuschränken.
Natürlich, das Parlament hat wenigstens Rentenalter 65 für Frauen beschlossen. Das ist ein Fortschritt. Doch der wird gleich wieder zunichte gemacht durch die flächendeckenden Rentenerhöhungen ab 2019. Die 70 Franken und die höheren Ehepaarrenten kosten mittelfristig deutlich mehr als die AHV dank dem höheren Frauenrentenalter spart. Ein Hohn.
Und überhaupt: Es ist und bleibt ein Unsinn, heute einen Ausbau der AHV zu beschliessen,wo diese bereits aus dem Lot ist. In den nächsten 20 Jahren steigt die Zahl der Rentner so stark wie noch nie. Es treten mehr Senioren aus dem Arbeitsmarkt aus als Jugendliche neu eintreten. Die Schieflage der AHV wird sich wegen des «Rentnerbooms» so oder so weiter verschärfen.
Die verantwortlichen CVP-Strategen flöten nun, man werde natürlich sofort die nächste Reform aufgleisen, und die werde dann auch das Unausweichliche – die Erhöhung des Rentenalters über 65 – umfassen. Das wäre ja schön. Aber sie verschweigen, dass diese weiteren Reformen wegen des 70-Franken-Ausbaus noch schmerzhafter und teurer sein werden als sie es ohnehin sind.
Und das alles zulasten der kommenden Generationen. Doch dies blenden die AHV-Ausbauer routiniert aus. Sie sehen nur die Umverteilung von «Reich» zu «Arm» und unterschätzen die Risiken der Umlagefinanzierung für unsere Kinder und Enkel. Sie werden die Zeche für diese 70 Franken bezahlen.
Das Ärgerlichste an dieser Reform sind ihre populistischen Züge.Ihre Schöpfer zielen offenkundig darauf ab, die direktdemokratisch einflussreiche Generation der Erwerbstätigen über 45 Jahren zu bezirzen. Diese erhalten nicht nur die 70 Franken aus der AHV, sondern profitieren auch von einer Besitzstandgarantie in der 2. Säule. Für alle Ü45 gilt weiterhin der überhöhte Umwandlungssatz von 6,8 Prozent, grosszügig quersubventioniert von allen, also auch den jüngeren Arbeitnehmern. Die doppelt grosszügige Sonderbehandlung dieser Alterskategorie grenzt an Stimmenkauf.
Viele rätseln, ob die heutigen Rentner die Reform bekämpfen werden, weil sie vom AHV-Ausbau ausgeschlossen sind. Aber wenn wirklich jemand guten Grund hat, Nein zu sagen, dann die Jungen. Sie sind die Verlierer dieser Reform. Aber das lässt die Politik kalt, da die Jungen entweder nicht stimmen dürfen oder sich nicht um Vorsorgefragen kümmern.
Fazit: Gerecht ist diese Reform nicht. Eine Mehrheit findet sie an der Urne wohl trotzdem. Zu süss ist das 70-Franken-Zückerchen.
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