Panne bringt Sparpläne ans Licht
Der Bundesrat bereitete die Zusammenlegung der Standorte der Forschungsanstalt Agroscope hinter den Kulissen vor. Als Infos durchsickerten, geriet er unter Zugzwang. Das hat nun Folgen.

Die Nachricht des Bundesrats ist ein Schock für sie. «Ich muss mir eine neue Stelle suchen», sagt Beatrice L.* Für die Agronomin ist klar: Sie werde nicht nach Posieux im Kanton Freiburg pendeln können, weil der Arbeitsweg mehr als zwei Stunden statt wie heute eine Viertelstunde dauere. Auch werde sie nicht umziehen, weil sie hier, im zürcherischen Wädenswil, verwurzelt sei. Beatrice L. geht davon aus, dass es vielen Kolleginnen und Kollegen an der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Bundes Agroscope gleich ergehen wird.
Es ist Montag, 12. März. Bernard Lehmann, der Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), informiert die Belegschaft vor Ort darüber, dass der Bundesrat Agroscope, die heute auf zwölf Standorte verteilt ist, in Posieux zusammenziehen will. Die Stimmung ist angespannt. Auf einer Folie der Präsentation steht der Satz: «Wir alle haben nun die Chance, aktiv an der Zukunftsfähigkeit von Agroscope zu arbeiten.» Ein Hohn seien solche Ansagen, sagt ein Mitarbeiter. Verzweiflung vermengt sich mit Wut. Aber zumindest ein Teil der Mitarbeiter hofft weiter – darauf, dass der Bundesrat von seinem Plan, den er letzte Woche kommuniziert hat, abrücken wird.
Der Plan: Die Kosten für Agroscope sollen um 20 Prozent sinken. Ansetzen will der Bundesrat bei den Betriebskosten, die 40 Prozent der jährlichen Ausgaben von 182 Millionen Franken wegfressen. Das Herzstück von Agroscope, die anwendungsorientierte Forschung, will der Bundesrat nicht schwächen. 400 bis 500 der 1200 Mitarbeitenden müssten pendeln oder umziehen, schreibt das Departement von Agrarminister Johann Schneider-Ammann. Es werde auch Entlassungen geben. Doch deren Zahl werde «weitaus tiefer liegen als die Zahl der vom Umzug betroffenen Personen».
Parmelin als Ideengeber?
Das Projekt ist eines von über hundert, die in allen sieben Bundesdepartementen geprüft werden. Der Bundesrat will mit den im November gestarteten Reformen Sparpotenzial eruieren, um sich wieder mehr finanziellen Spielraum im Budgetprozess zu verschaffen. Eigentlich hätte die Öffentlichkeit von der Reform bei Agroscope noch nichts erfahren sollen. Doch die Pläne sickerten zur Belegschaft durch. Die Gerüchteküche begann zu brodeln. Der Vorschlag für die Reorganisation, so eines der Gerüchte, stamme von Bundesrat Guy Parmelin (SVP). Das ist pikant, weil Agroscope zu Schneider-Ammanns Hoheitsgebiet gehört. Der Druck auf den FDP-Bundesrat nahm in der Folge derart stark zu, dass er handeln musste. Letzte Woche informierte er die Mitarbeiter per Video und die betroffenen Kantone telefonisch.
Dass Parmelin seinem Kollegen den brisanten Antrag gemacht hat, wird von offizieller Seite nicht bestätigt. Es ist aber so, dass im Rahmen der Strukturreform die Bundesräte sich gegenseitig Sparvorschläge unterbreiten. Jürg Jordi, Sprecher des Bundesamts für Landwirtschaft, stellt jedoch klar: «Die Idee zur Zusammenführung von Agroscope stammt von Bundesrat Johann Schneider-Ammann selber.» Im Falle von Agroscope bevorzuge er nach den bereits erfolgten Sparrunden den grossen Wurf. Statt der dezentralen Infrastruktur, verteilt auf die sieben Kantone Bern, Freiburg, Tessin, Thurgau, Waadt, Wallis und Zürich, soll nur noch ein Campus übrig bleiben. Kleine Versuchsanlagen würden aber in den Regionen verbleiben. «Die Aprikosenbäume stehen natürlich weiterhin im Wallis», meint Jordi. Posieux steht als Campusstandort im Vordergrund, weil dort laut Jordi bereits ein Neubauprojekt läuft und es – anders als etwa in Zürich – noch Landreserven für einen Neubau gibt.
Kantone völlig überrumpelt
Formal gesehen ist die Agroscope-Fusion zwar erst ein Prüfauftrag, so wie alle anderen im November gestarteten Projekte. Im Juni will sich der Gesamtbundesrat dann damit befassen und im Herbst definitive Entscheide fällen. Beim BLW macht man jedoch einen Unterschied: «Dass der Bundesrat das Projekt vor einer Woche oppositionslos zur Kenntnis genommen hat, ist als Vorentscheid zu werten», sagt Sprecher Jordi. Ob die Standortkantone damit einverstanden sind, ist allerdings fraglich. Vorerst reagieren sie perplex. Sie wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Philippe Leuba (FDP), Waadtländer Staatsrat und Präsident der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz, traf die Information völlig unvorbereitet, wie seine Kommunikationsstelle ausrichten lässt. Auch der Zürcher Regierungsrat Markus Kägi (SVP) äussert sich erst zurückhaltend. Er «bedauert» den Entscheid des Bundesrats «ausserordentlich», und er will sich erst später ausführlicher dazu äussern.
Bereits Widerstand formiert hat sich beim Bauernverband. Auch im Bundesparlament zeichnet sich breit gefächerte Opposition ab. Vorstösse angekündigt oder bereits eingereicht haben Nationalräte von CVP, GLP und SP. Die Walliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd erinnert den Bundesrat daran, dass das Landwirtschaftsgesetz eine Verteilung der Forschungsanstalten auf verschiedene Landesgegenden verlange.
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