Insieme: Die Chronologie eines Desasters
Seit 2005 verging kaum ein Jahr, ohne dass das Informatikprojekt Insieme für Schlagzeilen sorgte.

2000: Die Eidgenössische Steuerverwaltung arbeitet mit den beiden veralteten Informatiksystemen Molis und Stolis. Die beiden Systeme stammen aus den 80er-Jahren. 2001: Die Steuerverwaltung will ihre Abläufe nach den Bedürfnissen der «Kunden» ausrichten. Sie beschliesst, Molis und Stolis durch ein «kundenfreundliches» einheitliches Gesamtsystem zu ersetzen. Dieses neue System wird Insieme getauft. 2005: Das Parlament genehmigt einen Kredit von 71 Millionen Franken zur Umsetzung der Informatikplattform Insieme. 2006: Der amerikanische Softwarekonzern Unisys bekommt den Zuschlag zur Realisierung des Gesamtprojekts Insieme. 2007: Unisys und Steuerverwaltung zerstreiten sich. Der Streit wird ein Fall für die Richter. Sie widerrufen den Zuschlag. Die Steuerverwaltung muss dem Konzern eine Entschädigung zahlen. Die Kosten der «Phase Unisys» beziffert das Finanzdepartement später auf 6,4 Millionen Franken. 2008: Die Steuerverwaltung hält nach dem Debakel mit Unisys an Insieme fest. Das Projekt wird neu ausgeschrieben, diesmal aufgeteilt in Teilaufträge, die an viele verschiedene Softwarefirmen vergeben werden. Unisys erhält erneut einzelne Aufträge. Juni 2010: Das Projekt Insieme läuft finanziell aus dem Ruder: Die Steuerverwaltung teilt mit, dass die 71 Millionen Franken zur Umsetzung des Projektes nicht ausreichen. Der Bundesrat muss einen Zusatzkredit von 56 Millionen Franken bewilligen, um Insieme zu retten. Weitere 27 Millionen werden innerhalb der Verwaltung via Leistungsverrechnung zugeschrieben. Der Kostenrahmen beträgt jetzt total 155 Millionen Franken. Februar 2011: Die Steuerverwaltung trennt sich aufgrund von Problemen im Projektmanagement wegen erneut aus dem Ruder laufender Kosten und ungenügenden Projektfortschritts vom bisherigen Insieme-Gesamtprojektleiter. Es zeigt sich, dass die Umsetzung des Projekts mindestens drei Jahre länger dauern wird als geplant. Januar 2012: Die Finanzkontrolle stellt Ungereimtheiten im Beschaffungswesen des Projekts Insieme fest. Deshalb ordnet Eveline Widmer-Schlumpf als Vorsteherin des Finanzdepartements eine Administrativuntersuchung an. April 2012: Die parlamentarische Finanzdelegation hat Insieme unter die Lupe genommen. Das Urteil ist vernichtend: Das noch vorhandene Geld für Insieme vermöge bloss noch «die elementaren Projektziele abzudecken». 16.Juni 2012: Die Berner Zeitung deckt auf, dass die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit Insieme gegen einen Chefbeamten ein Verfahren wegen Korruption eingeleitet hat. 19.Juni 2012: Das Eidgenössische Finanzdepartement macht die Ergebnisse der Administrativuntersuchung publik. Sie zeigt, dass das Desaster noch grösser ist als angenommen: Dutzende von Beschaffungsaufträgen sind unter der Hand vergeben worden. Dies mit dem Segen von Urs Ursprung, Direktor der Steuerverwaltung. 27. Juni 2012: Der nun freigestellte Amtsdirektor bekundet, per Ende Juli «freiwillig» in Pension zu gehen. 20.September 2012: Die Finanzministerin beschliesst, Insieme abzubrechen.