Frist für AKW-Stilllegung vom Tisch
Der Nationalrat verzichtet auf eine Frist für die Stilllegung der Schweizer Atomkraftwerke. Entscheidend soll nur noch sein, dass die AKW «sicher» betrieben werden. Die BKW hält dennoch an ihrem Atomausstieg fest.

Der Berner Energiekonzern BKW wird 2019 den Atomkraftgegnern am 20. Dezember ein grosses, vorgezogenes Weihnachtsgeschenk machen. An diesem Tag soll das Atomkraftwerk Mühleberg nach 47 Jahren vom Netz gehen, wie das Unternehmen am Mittwoch – während die Energiedebatte im Nationalrat lief – publik machte. Die BKW stellte damit klar, dass sie anders als das Parlament am baldigen Atomausstieg festhält. Sie hatte bereits angekündigt, dass die Stromproduktion ihres AKW spätestens im Dezember 2019 enden soll.
Rechtlicher Vorbehalt
Der Abschalttermin steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass dann die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen verzugslosen Rückbau vorliegen, also eine rechtskräftige Stilllegungsverfügung und die erforderlichen Freigaben der Atomaufsichtsbehörde Ensi. Es geht um mögliche Einsprachen: Die BKW erwartet die Stilllegungsverfügung bis Mitte 2018. Die BKW betrete rechtliches und administratives Neuland, sagte Konzernchefin Suzanne Thoma in einem Videointerview, das das Unternehmen gestern veröffentlichte. Technisch sei dagegen weitgehend klar, wie das AKW abgebaut werde. Die Detailplanung beginne nun. Dabei entscheidet die BKW, welche Arbeiten sie selber durchführt und welche extern vergeben werden.
Nachdem das AKW vom Netz ist, beginnt der «technische Nachbetrieb». Er läuft, wenn sich alle Brennelemente im Lagerbecken befinden und das Becken unabhängig von anderen Systemen gekühlt wird. Diese Arbeiten werden laut BKW mindestens neun Monate dauern. Das AKW Mühleberg kann damit frühestens Ende September 2020 endgültig ausser Betrieb genommen werden.
Andere können weiterlaufen
Mühleberg ist das erste der fünf Schweizer AKW, das stillgelegt wird. Der Nationalrat nahm gestern Druck von den anderen AKW-Betreiben, ihre Reaktoren ebenfalls vom Netz zu nehmen: Nach dem Ständerat lehnte es auch die nach rechts gerutschte Grosse Kammer ab, die Laufzeit zu begrenzen. Der Entscheid fiel mit 131 zu 64 Stimmen klar. In der ersten Debatte über die Energiestrategie 2050 vor einem Jahr hatte der Nationalrat noch dafür plädiert, die Laufzeit der ältesten AKW auf 60 Jahre zu begrenzen.
Auch lehnte er es gestern mit 118 zu 77 Stimmen ab, ein Langzeitbetriebskonzept zu fordern. Dabei hatte die Atomaufsichtsbehörde Ensi ein solches verlangt, um die nötige Sicherheitsmarge bei älteren AKW zu garantieren. Ab vierzig Jahren hätten die AKW-Betreiber alle zehn Jahre ein Langzeitbetriebskonzept vorlegen müssen. Bastien Girod (Grüne, ZH) bezeichnete den Verzicht als Skandal. Denn das Ensi habe bestätigt, dass die Sicherheit mit dem Alter der Anlagen abnehme. Die AKW würden nun wohl so lange betrieben, bis sie auf den Felgen liefen.
Auch Vertreter der Grünliberalen und SP warnten vergeblich, das Unfallrisiko steige mit dem Alter der AKW. Die Gegner des Langzeitbetriebskonzepts argumentierten, die AKW seien sicher, und das Ensi verfüge über genügend Mittel, um notfalls zu intervenieren. Auch Energieministerin Doris Leuthard plädierte dafür, bei den geltenden Regeln zu bleiben. Dem Anliegen des Ensi könne auf Verordnungsstufe entsprochen werden. Zur Laufzeitbeschränkung wird das Stimmvolk das letzte Wort haben: Mit der Atomausstiegsinitiative fordern die Grünen, dass alle AKW spätestens nach 45 Betriebsjahren stillgelegt werden.
Gegen Stromspar-Anreize
Auch in anderen Punkten schwächte der Nationalrat Elemente der Energiestrategie 2050. So folgte er dem Ständerat und strich Anreize für Elektrizitätswerke, das Stromsparen zu fördern. Ja sagte der Nationalrat zu Subventionen für bestehende Grosswasserkraftwerke. Denn ohne diese Anlagen sei die Energiewende nicht möglich, sagte Daniel Fässler (CVP, AI).
Der Ständerat hatte wegen der tiefen Strommarktpreise Nothilfen für existenzbedrohte Werke vorgeschlagen. Der Nationalrat wählte ein anderes Modell: Wasserkraftwerke sollen für jene Elektrizität, die sie unter den Gestehungskosten verkaufen müssen, eine Prämie von bis zu 1 Rappen pro Kilowattstunde erhalten.
Festgehalten hat der Nationalrat an der steuerlichen Förderung von Gebäudesanierungen. Zum einen könnten Steuerabzüge damit über mehrere Jahre verteilt werden, zum anderen könnten sie neu auch für sämtliche Ersatzneubauten geltend gemacht werden.» Dreister kann man die hohle Hand beim Fiskus gar nicht aufhalten», sagte Jacqueline Badran (SP, ZH).
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