«Diese Rhetorik ist ungewöhnlich»
In einem Interview machte Micheline Calmy-Rey ihrem Ärger über die Verhandlungen mit der EU Luft. Nicht alle Schweizer Politiker reagieren erfreut auf die Verbalattacke der Bundespräsidentin.

Micheline Calmy-Rey erhob gestern einem Interview mit der «SonntagsZeitung» massive Vorwürfe gegen die EU. Die Bundespräsidentin wirft Brüssel eine wenig konstruktive Haltung in der Verhandlung der bilateralen Verträge vor.
Schweizer Politiker reagieren unterschiedlich auf die harsche Kritik aus Bern. Für Ueli Leuenberger, Präsident der Grünen, sind die von Calmy-Rey gemachten Aussagen zu wenig eindeutig. «Ich verlange mehr Transparenz darüber, was genau in Brüssel schief läuft», sagt Leuenberger gegenüber dem Schweizer Fernsehen.
Die Genfer FDP-Nationalrätin Martine Brunschwig Graf hat ein gewisses Verständnis für die Äusserungen von Calmy-Rey. Sie glaube zwar nicht, dass es mit den Verhandlungen so schlecht laufe. Dennoch sei es wichtig und richtig, dass die Schweiz gegenüber der EU sage, was sie wolle. «Genau das hat die Bundesrätin gemacht», sagt Brunschwig Graf.
«Calmy-Rey macht ihre Hausaufgaben nicht»
Kein Verständnis zeigt ein Protagonist, dem sonst jede Kritik an der EU recht ist: Ulrich Schlüer. Der SVP-Nationalrat glaubt, dass Micheline Calmy-Rey mit dieser Verbalattacke nur darüber hinwegtäuschen will, dass sie «ihre Hausaufgaben» nicht mache. «Die Bundesrätin soll sich besser um das problematische Dossier Schengen-Dublin kümmern, statt zu wettern», sagte Schlüer in der Tagesschau.
Auch Fritz Reimann, SF-Redaktor im Bundeshaus, kann sich die harschen Worte von Calmy-Rey gut erklären: «Es ist die Rhetorik, die auffällt.» In diesem Interview habe eine Bundesrätin gesprochen, die Aufmerksamkeit suche. Sie möchte gehört werden, jedoch nicht nur in der EU, sondern vor allem in der Schweiz. Ihre Botschaft laute: «Wir sind unzufrieden mit der EU und wir bleiben hart», sagt Reimann.
«Schwierige» bilaterale Verhandlungen
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey wirft Brüssel in dem Interview mit der «SonntagsZeitung» vor, sich bei den Verhandlungen derzeit passiv zu verhalten und der Schweiz Steine in den Weg zu legen.
Die bilateralen Verhandlungen mit der EU-Kommission seien derzeit schwierig, sagte die Schweizer Aussenministerin im Gespräch. Die Sicherung des EU-Marktzugangs für Schweizer Firmen sei nötig, um den bilateralen Weg zu festigen. Die EU ihrerseits habe Interesse an einer Regelung, «die ihr die Steuereinnahmen von ihren Bürgern und ihren Unternehmen garantiert», sagte sie.
Calmy-Rey beharrt auf einem gesamtheitlichen Ansatz: «Für uns kommt eine Diskussion nur im Rahmen eines Paketes infrage», sagte sie mit Bezug zur im Januar beschlossenen Strategie des Bundesrats.
Dabei habe die Schweiz Vorschläge vorgelegt. Brüssel habe sich jedoch, obschon man mit dem Grundsatz koordinierter und gesamtheitlicher Verhandlungen über ein Paket einverstanden gewesen sei, passiv verhalten und mache der Schweiz das Leben schwer.
Beharren auf Souveränität
Calmy-Rey wiederholte die Schweizer Position, dass eine automatische Übernahme von EU-Recht für die Schweiz weiterhin undenkbar sei. «Wir geben unsere Souveränität nicht an Brüssel ab.»
Als Beispiel für die Haltung der EU-Kommission nannte die Bundespräsidentin die Diplomanerkennung. Dort wolle die EU für die Genehmigung neuer Regeln Fristen einführen, «die für unsere Entscheidverfahren zu kurz sind - und das, ohne uns zu konsultieren».
Ungerechtfertigt seien die Vorwürfe Brüssels im Bereich Personenfreizügigkeitsabkommen. Die flankierenden Massnahmen seien mit dem Abkommen vereinbar und im Kampf gegen das Lohndumping nötig.
Kein Eigentor
Einer Neuverhandlung dieses in letzter Zeit in der Schweiz in die Kritik geratenen Abkommens erteilte sie eine klare Absage: Die EU käme unweigerlich mit Gegenforderungen, und es bestehe die Gefahr, dass man gewisse Vorteile des Abkommens verliere.
«Neuverhandlungen wären ein klassisches Eigentor. Umso mehr als wir wegen der Guillotine-Klausel riskieren, mit dem Freizügigkeitsabkommen gleich das ganze Vertragswerk der Bilateralen I zu verlieren», sagte sie weiter.
Calmy-Rey hofft angesichts der beidseitigen Interessen an ein gutes Ende. Sie sei zuversichtlich, dass Brüssel auf eine konstruktive Haltung umschwenken werde.
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