«Dann wird es Entlassungen geben»
Die Arbeitsbedingungen beim Bund sind zwar gut, haben sich aber verschlechtert: Das sagt die Präsidentin des Bundespersonalverbands, SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Sie warnt, die geplanten Kürzungen führten zu Entlassungen.

Wie nehmen Sie die Stimmung des Bundespersonals wahr, Frau Gysi?Barbara Gysi: Sie ist angespannt, viele sorgen sich wegen der dauernden Sparpolitik. Einzelne haben konkrete Befürchtungen, sie könnten ihre Stelle verlieren. Generell spüre ich Verunsicherung und wachsenden Druck. Gleichzeitig wissen wir aus der jüngsten Personalbefragung, dass die Zufriedenheit insgesamt hoch ist.
Dann ist ja alles gut. Die Leute arbeiten gern beim Bund, Sie können sich zurücklehnen. Sicher nicht. Es schleckt keine Geiss weg, dass die Arbeitsbedingungen unter dem Druck der bürgerlichen Finanzpolitik in den letzten Jahren verschlechtert wurden. Es gab nun zwei Jahre in Folge keine generelle Lohnerhöhung, gleichzeitig stiegen die Pensionskassenbeiträge, womit der verfügbare Lohn sank. Der individuelle Lohnanstieg wurde stark eingeschränkt, Stellen werden abgebaut, neue kaum noch bewilligt, Vakanzen bleiben lange offen. Dadurch wächst der Druck, und es geht viel Wissen verloren.
Trotzdem sind die Angestellten zufrieden. Wieso? Bundesangestellte sind nun mal loyal und stolz auf ihre Arbeit. Sie versuchen auch jetzt, zu kooperieren und das Beste aus der Situation zu machen.
Aber es gibt auch Bereiche wie die Grenzwacht, wo niemand um den Job fürchten muss. Dort will das Parlament ja ausbauen. Dafür ist dort der Druck enorm hoch. Die Angestellten müssen zum Beispiel mehr Einsätze in anderen Regionen übernehmen. Gleichzeitig verunsichert eine Reorganisation, die aktuell im Gang ist. Und die Grenzwächter mussten zweimal nacheinander Verschlechterungen bei der Pensionierung schlucken: Durch Kürzungen der Überbrückungsrente stieg ihr Rentenalter in kurzer Zeit von 58 auf 60 Jahre.
Das ist symptomatisch: Wer über Rentenalter 60 klagt, kann kein Mitleid erwarten. Da kommen jetzt natürlich all die alten Vorurteile zum Vorschein. Der frühere Altersrücktritt gilt aber nur bei besonderen Aufgaben mit unregelmässiger Präsenz und grosser körperlicher Belastung. Das betrifft nur ganz wenige Mitarbeiter, die nicht in hohen Lohnklassen sind.
Trotzdem: Jammert das Bundespersonal, das im Durchschnitt immerhin einen Lohn von 10 000 Franken im Monat erzielt, nicht auf allzu hohem Niveau? Auch dieser Durchschnittslohn, den ja nicht alle beim Bund erhalten, lässt sich erklären. Der Bund hat viele sogenannte einfachere Jobs mit tieferen Löhnen wegrationalisiert, zum Beispiel im Verteidigungsdepartement. Heute umfasst die Verwaltung zum grossen Teil anspruchsvolle Stellen für hochqualifizierte Fachkräfte, die auch in der Privatwirtschaft einen guten, vielfach sogar besseren Lohn hätten. Das hohe Kader verdient beim Bund weniger als in der Privatwirtschaft.
Aber Sie bestreiten nicht, dass der Bund ein attraktiver Arbeitgeber ist, oder? In der Privatwirtschaft können viele von einem automatischen Lohnanstieg nur träumen, auch wenn er nun etwas gekürzt wurde. Sagen wir es so: Der Bund hat rechte Arbeitsbedingungen, aber sie haben sich spürbar verschlechtert. Mit dem gekürzten Lohnanstieg dauert es 30 Jahre bis zum Maximallohn. Es handelt sich dabei auch nicht um einen automatischen Anstieg, nur Angestellte mit guter Beurteilung erhalten mehr Lohn...
...aber 95 Prozent erhalten erstaunlicherweise die Note «Gut» oder «Sehr gut» und damit 1 bis 3 Prozent mehr Lohn. Seien wir doch froh, dass wir gutes und motiviertes Personal haben. Das wird sich ändern, wenn wir weitermachen wie in den letzten Jahren. Das Wichtigste ist, dass der Bund 2018 endlich wieder eine generelle Lohnerhöhung gewährt. Wir fordern eine Lohnerhöhung von 1 Prozent. Finanzminister Ueli Maurer hat zugesagt, im Bundesrat zu beantragen, im Budget Spielraum für Verhandlungen einzuplanen.
Das ist unrealistisch. Soeben gab der Bundesrat bekannt, dass er das Budget 2018 um 1 Milliarde Franken entlasten muss. Er kürzt auch beim Personal. Wie soll da eine Lohnerhöhung drinliegen? Wo eine Wille ist, ist auch ein Weg. Ich werde den Eindruck nicht los, dass Bundesrat Maurer die Einnahmen absichtlich pessimistisch einschätzt, damit es keinen Spielraum für neue Ausgaben gibt. Er hat die künftigen Steuereinnahmen nach unten korrigiert, obwohl viele Firmen höhere Gewinne vermelden.
Sie unterstellen Ueli Maurer, dass er die Zahlen frisiert. Ein happiger Vorwurf. Machen wir uns nichts vor: Bei der Schätzung der Steuereinnahmen hängt alles von den vielen Annahmen ab, die man trifft. Da gibt es immer einen Ermessensspielraum, in dem der zuständige Bundesrat politisch eingreifen kann. Minimale Verschiebungen machen Millionensummen aus. Ich denke, dass Bundesrat Maurer diesen Spielraum bewusst ausnutzt, um den Zielen seiner Partei nachzuleben, die bekanntlich den Staat kaputtsparen will.
Bisher kann von Kaputtsparen keine Rede sein. Die Ausgaben und auch die Zahl der Stellen steigen dauernd. Ja, und? Das Land wächst ja auch, es gibt dauernd mehr Einwohner in der Schweiz, jedes Jahr werden Tausende neuer Unternehmen gegründet. Die müssen alle auch Steuererklärungen ausfüllen, sie benutzen Strassen und so weiter. Es gibt auch für den Bund immer mehr zu tun. Das trägt dazu bei, dass die Verwaltung wächst. Zusätzlich muss sie laufend neue Aufgaben übernehmen. Das Parlament bürdet ihr gerne neue Aufgaben auf, schimpft aber, wenn das etwas kostet. Trotzdem ist der Anteil der Personalausgaben am Gesamtbudget seit Jahren konstant bei 8 Prozent. Von explodierenden Personalkosten kann keine Rede sein.
Trotzdem will neuerdings sogar der Ständerat die Personalkosten stärker kürzen. Was passiert, wenn das so umgesetzt wird? Dann gibt es Entlassungen. Ich sehe nicht, wie man dieses Sparziel sonst so rasch erreichen kann. In der Verwaltung bereitet man sich zum Teil bereits auf ein solches Szenario vor. Der Bereich Verteidigung hat einen Auftrag für eine Outplacementfirma ausgeschrieben, die Betroffenen helfen soll, etwas Neues zu finden. Neben den Entlassungen wird generell der Stress zunehmen.
Die Pensionskasse des Bundes Publica plant eine weitere Reduktion des Umwandlungssatzes. Ist schon klar, ob und wie stark der Bund dies abfedert? Nein. Für uns ist aber klar, dass der Bund als Arbeitgeber Rentenverluste vermeiden muss. Er hat in den letzten Jahren unerwartet hohe Überschüsse erzielt und damit Milliarden auf die Seite geschaufelt. Es wäre nur anständig, wenn er davon einen kleinen Teil in die Pensionskassen einschiesst. Die Personalverbände werden hier konkrete Forderungen formulieren müssen.
Auch hier dürfen Sie wohl nicht viel Verständnis erwarten, sind doch alle mit sinkenden Umwandlungssätzen konfrontiert... ...das ist mir bekannt. Aber es gibt auch viele Unternehmen, gerade in der Bankenwelt, die ihren Angestellten in solchen Fällen äusserst grosszügig unter die Arme greifen. Swisscom, SBB und Post haben Beiträge eingeschossen. Der Bund muss nachziehen.
Wie sind Sie mit Ueli Maurer als oberstem Personalchef zufrieden? Es fällt auf, dass er regelmässig Lobeshymnen auf das Bundespersonal anstimmt. Loben kann er gut, das stimmt. Aber sonst spüre ich wenig. Vor allem hat er sich in der letzten Budgetdebatte nicht klar genug gegen die zusätzliche Kürzung beim Personal ausgesprochen. Stattdessen erweckte er den Eindruck, diese Kürzung lasse sich ohne Kündigungen umsetzen. Wenige Wochen später musste er zurückkrebsen. Bundesrat Maurer zeigt da zwei Gesichter: Im Gespräch ist er immer freundlich und unbestimmt. Geht es aber um die Sache, ist er ein gewiefter Taktiker. Er hat eine andere Agenda, im Zentrum steht für ihn ein reduzierter Bundeshaushalt. Von ihm als Personalchef erwarten wir künftig mehr Unterstützung.
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