GC erzielt spät den AusgleichSchon wieder diese verflixte Nachspielzeit
Den Sieg vor Augen, den Rückstand auf den Leader beinahe verkürzt – doch dann kassieren die Young Boys erneut ein spätes Gegentor zum 2:2.

Vielleicht soll es in diesem Jahr einfach nicht sein. Nur so ist es zu erklären, was sich an diesem frühen Sonntagabend im Zürcher Letzigrund abspielt. Es läuft längst die Nachspielzeit, als Nicolas Ngamaleu in der eigenen Platzhälfte den Ball verliert, Felix Mambimbi den Zweikampf gegen GC-Aussenverteidiger Dominik Schmid verliert, dessen Flanke bei Bendeguz Bolla landet. Schuss, Tor, 2:2. Verpassen die Young Boys tatsächlich die grosse Chance, den Rückstand auf Leader FC Zürich nach dessen 1:1 in Sion zu verkürzen?
Sie wollen das nicht wahrhaben und stemmen sich gegen die drohenden Punktverluste. Tatsächlich kommt Vincent Sierro zum Schuss, Sekunden später Miralem Sulejmani zum Kopfball. Aber offenbar soll es in diesem Jahr einfach nicht sein.
Harmlose erste Halbzeit
Natürlich fühlt sich dieses Unentschieden bei den Grasshoppers ähnlich an wie das fast schon traumatische 3:3 in St. Gallen, auch wenn die Berner damals gar einen 3-Tore-Vorsprung verspielten. Und auch wenn ein Sieg in Zürich zwar nicht gestohlen, aber auch nicht wirklich zwingend gewesen wäre.
Viel zu harmlos agiert der Serienmeister über weite Strecken, in der ersten Halbzeit wird er nur zweimal richtig gefährlich. Einmal, als der unter der Woche verpflichtete Edimilson Fernandes in der 10. Minute zu einer guten Abschlusschance kommt, aber geblockt wird. Und einmal, als zuerst Jordan Siebatcheu und danach Wilfried Kanga aus nächster Nähe es nicht schaffen, den Ball an GC-Goalie André Moreira vorbei ins Tor zu befördern. Ansonsten ist es vor allem viel Ballbesitz, wenig Aussichtsreiches. «Zu passiv», so beurteilt Innenverteidiger Cédric Zesiger die Leistung seines Teams bis dahin.

Zwischendurch muss sogar der Videoassistent eingreifen, um einen Berner Rückstand zu verhindern, wobei der Fehler eher bei Schiedsrichter Luca Piccolo liegt, dass es den VAR überhaupt braucht. Anthony Racioppi, zuletzt für seine fehlende Strafraumbeherrschung kritisiert, läuft nach einer Flanke mutig aus dem Tor, steigt hoch – und wird von Georg Margreitter übel abgeräumt. Danach schiesst Francis Momoh ins Tor, was aber auch keine grosse Kunst mehr ist, weil Racioppi am Boden liegt.
Dass Piccolo mehrere TV-Wiederholungen braucht, ist zumindest bemerkenswert, richtig ist aber, dass er den Treffer annulliert. Womit wir zu der guten Nachricht für YB aus der ersten Halbzeit kommen: Abgesehen von dieser Szene und dem Weitschuss von Bruno Jordao kurz vor der Pause lassen die Berner defensiv kaum etwas zu. Und das, obwohl Captain Fabian Lustenberger nach seiner Prellung aus dem FCB-Spiel zunächst nur auf der Bank sitzt und der junge Lewin Blum erstmals den verletzten Rechtsverteidiger Quentin Maceiras von Beginn an ersetzen muss.
Und dieser Blum ist eine weitere gute Nachricht aus der ersten Hälfte, zumindest aus statistischer Sicht: die meisten Ballkontakte aller Feldspieler, dazu alle seine Zweikämpfe gewonnen. Ansprechende Fakten, erst recht für einen 20-Jährigen. Aber auch solche, die viel über die Attraktivität dieses Fussballspiels aussagen. David Wagner sollte es später einen «Abnützungskampf» nennen.
Vor allem ist es in der Endabrechnung für den YB-Trainer aber ein «enttäuschender Nachmittag». Und dies, obwohl die zweite Halbzeit gut beginnt, zuerst mit einer Halbchance für Jordan Siebatcheu, dann mit dem Dribbling von Fernandes. Eines, das genau solche Abnützungskämpfe entscheiden kann, weil es erst im Strafraum von Schmid gestoppt wird, vor allem aber unfair gestoppt wird. Den fälligen Penalty verwertet Siebatcheu mit der Souveränität eines Stürmers, der mit nunmehr 15 Treffern alleiniger Liga-Torschützenkönig ist.
Erstmals gehen die Young Boys gegen die Grasshoppers in dieser Saison in Führung. Ein wichtiger Schritt, insbesondere bei einem Gegner, der vor allem über die Zweikämpfe ins Spiel finden will.
Plötzlich taumelt YB
Doch diese komfortable Lage hält nicht lange, weil in der 60. Minute Georg Margreitter nach einem Eckball relativ unbedrängt zum Kopfball kommt, diesen via Lattenunterkante ins Tor setzt. «Sehr schlecht verteidigt», findet Wagner, eine Botschaft speziell an Fernandes, der seinen Gegenspieler gewähren lässt.
Dieser Treffer zeigt seine Wirkung, für einige Minuten taumeln die Young Boys. Zuerst setzt sich Kaly Sène gegen Sandro Lauper durch, Racioppi bewahrt sein Team jedoch vor dem Rückstand. Und kurz darauf verdribbelt sich der YB-Goalie beinahe gegen Sène und Momoh, danach müssen Blum und Zesiger brenzlige Situationen bereinigen. Klar, dass GC-Trainer Giorgio Contini sagt: «Nach dem 1:1 hatten wir kurz Überwasser. Gegen YB ist das aber immer gefährlich.»
Gefährlich, weil ansonsten tief stehende Zürcher etwas aus der Defensive gelockt werden und sich so den talentierten Spielern im YB-Angriff zuvor kaum vorhandene Räume anbieten. Einer dieser begabten Spieler heisst Felix Mambimbi, nach einer Stunde wird er für den kaum sichtbaren Wilfried Kanga eingewechselt. Nach einer Viertelstunde brotloser Kunst wird er in der Nähe des GC-Strafraums gefoult, der fällige Freistoss ist eine Sache für den ebenfalls eingewechselten Miralem Sulejmani. Noch so einer mit unheimlich viel Talent.
Ausgerechnet Mambimbi
Vor allem einer mit viel Gefühl im linken Fuss, seine Flanke findet Siebatcheu, der verlängert auf Mambimbi, der sich in ungewohnt robuster Manier durchsetzt und zur erneuten Berner Führung trifft. Die Last, die dem 21-Jährigen abfällt, wird beim Sprint in Richtung mitgereiste YB-Fans überdeutlich. Nicht nur wegen Verletzungen ist es für den vielversprechenden Stürmer, den die Mitspieler noch immer «Golden Boy» nennen, keine leichte Saison. Nur zu gerne wäre er endlich mal Matchwinner geworden.
Doch es soll in diesem Jahr offenbar einfach nicht sein. Ausgerechnet Mambimbi lässt sich in der Nachspielzeit von Schmid wegdrängen, sodass der GC-Aussenverteidiger viel Platz hat, zur Mitte flanken und Bolla finden kann. «Wir haben unseren Job nicht bis zu Ende erledigt», lamentiert Wagner danach. Und Innenverteidiger Cédric Zesiger ist frustriert darüber, dass er und seine Mitspieler gleich zweimal einen Vorsprung hergeben: «Wir hatten eine gute Chance, in der Tabelle etwas aufzuholen.»
Und doch bleibt es eine weitere Woche zehn Punkte Rückstand auf die Tabellenspitze. Vielleicht soll es in dieser Saison einfach nicht sein.
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