Schoggi-Job für die Überfliegerin
Sita Mazumder ist Unternehmerin, Professorin, Buchautorin und forscht an den Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Informatik.

Sita Mazumder ist schwer zu fassen. Die Professorin ist Dozentin, Forscherin, Unternehmerin und Buchautorin im Bereich von Wirtschaft und Informatik, zudem Verwaltungsrätin mehrerer Firmen. Sie habe nie konkrete Karrierepläne gehabt, sagt sie. Nicht einmal einen Traumberuf als Kind? «Doch!», antwortet sie lachend, «ich wollte unbedingt Astronautin werden.» Im Alter von etwa neun Jahren verlangte sie bei der Nasa «in schönster Schnürlischrift» das Anmeldeformular, das sie tatsächlich auch bekam. «Es wurde für mich ein fast schon heiliges Dokument. Doch drei Jahre später wurde bei mir Kurzsichtigkeit diagnostiziert – und ich wachte in der Realität auf.» Dafür machte sie mit 16 Jahren die Privat-pilotenlizenz.
Sie war eines dieser Kinder, die immerzu fragen: Warum? Wieso? Wie? Und da findet sich die Verbindung zu ihren aktuellen Tätigkeiten. «Ich stürze mich gern in neue Themenbereiche, wo man noch Wege und Lösungen finden muss.»
Besonders spannend findet sie, wenn sie ihre Erfahrungen aus verschiedenen Gebieten verbinden kann. Angetrieben werde sie aber nicht nur von Neugier und Forschungsdrang, sondern auch vom Lustprinzip. «Ich will in der Gegenwart leben, Aufschieben ist nicht so mein Ding», erklärt die quirlige Frau. Deshalb zögerte sie auch nicht lange, als sie die Anfrage erhielt, ob sie Mitglied des Aufsichtsrats des österreichischen Süsswarenherstellers Manner werden wolle. Dass ihr bei der Anfrage Tränen in die Augen schossen, hat aber noch einen weiteren Grund: «Ich war schon als Kind eine bekennende Schoggi-Liebhaberin.» Und ergänzt: «Ich will mich nur bei Firmen engagieren, die mir auch Plausch machen. Das war hier ganz klar der Fall.»
Es braucht den Blick von aussen und das Wissen von innen
Es geht natürlich nicht nur um Freude, sondern auch um Erwartungen. Kann Sita Mazumder Erkenntnisse aus ihrer Forschungstätigkeit bei Manner nutzen? Ist ihr Engagement bei Manner ein Beispiel dafür, wie Brücken zwischen IT und Business geschlagen werden können? Sita Mazumder ist davon überzeugt. «Ich habe ja sowohl Ökonomie wie Informatik-Ingenieurwissenschaften studiert. Heute kann ich die beiden Disziplinen zusammenbringen.» Sie sei auch davon überzeugt, dass man die beiden Fachrichtungen und die dazugehörigen Menschen stärker vereinen müsse. «Es kann nicht sein, dass der Informatiker über den Manager sagt, das ist der Schlipsträger, und umgekehrt der Manager, das ist der Nerd im T-Shirt.»
Manner ist ein fast 130-jähriges Unternehmen. Bezüglich der Produkte ist der Ruf des Traditionsbetriebs hervorragend, ähnlich wie bei Lindt. Aller-dings bedeutet das lange Bestehen auch, dass Strukturen und Prozesse nicht nur in der Produktion, sondern auch in der IT situativ durch akute Bedürfnisse gewachsen sind. «Man unternahm natürlich Schritte der Digitalisierung, aber nur kleine», sagt Sita Mazumder. «Um den Betrieb in die moderne Welt zu bringen, braucht es Expertisen, den Blick von aussen – zusammen mit dem Wissen von innen. Wo braucht es Bereinigungen, wo liegen die Risiken? Umsetzbare Digitalisierung ist das, was ich bringen kann.»
«Digitale Transformation geht vielmals schief, weil man die Menschen vergisst.»
Sita Mazumder betont, dass es keine Lösung sein könne, Tabula rasa zu machen und einfach die neusten Produktionslinien hinzustellen. «Man muss die Mitarbeitenden von den nötigen Modernisierungsschritten überzeugen, gerade bei einem Traditionsbetrieb mit vielen langjährigen Angestellten. Das ist wie eine Familie, da gibt es Ängste vor Veränderungen.» Der Faktor Mensch entscheide letztlich darüber, wie schnell man vorwärtsgehen könne. «Ich sage klar: Nehmt euch genügend Zeit, um die Mitarbeitenden aller Stufen und Bereiche abzuholen. Sonst funktioniert es nicht. Digitale Transformation geht vielfach schief, weil man die Menschen vergisst.»
Die Digitalisierung gehört zu den wichtigsten Punkten von Sita Mazumders Aufgaben bei Manner, sowohl bezüglicher interner Abläufe wie auch externer Aspekte wie des Firmenauftritts. «Wir schauen uns alles an, weil alles zusammenhängt. Denn das ist der Klassiker: Man tritt gegen aussen wahnsinnig modern auf, aber es wirkt nicht authentisch, weil die digitale Welt innen nicht funktioniert. Ich vertrete immer die Ansicht, dass man innen anfangen muss und dies dann nach aussen spiegelt.»
Bei der Umsetzung der digitalen Transformation kann Sita Mazumder auch auf Erkenntnisse ihrer Forschungen im Bereich künstlicher Intelligenz (KI) an der Hochschule Luzern zurückgreifen. «Wir nennen unser Team «Algorithmic Business», denn es geht darum, intelligente Algorithmen ins Business zu integrieren und letztlich damit Geld zu machen.»
«Big Data» ist zum Zauberwort der Hoffnung geworden
Man sagt, dass Firmen auf verlorenem Posten stünden, wenn sie nicht Daten sammeln und daher ihre Kunden gar nicht kennen. «Big Data» ist so zum Zauberwort der Hoffnung geworden. «Alle haben das Gefühl, dass mehr Daten automatisch auch mehr Informationen bedeuten und den Datenschatz vergrössern», sagt Sita Mazumder. «Ich kenne allerdings Fälle, wo sehr viele Daten vorhanden sind und trotzdem kein Schatz angehäuft wurde.» Der Grund dafür sei, dass oft die falschen Daten erhoben wurden. «Nur eine Minderheit der Firmen hat ihre Daten sauber aufgegleist und kann sie wertbringend auswerten. Das ist etwas, das ich bei Manner aufgleisen möchte.»
Bei der traditionellen Datenauswertung erfasst man laut Mazumder Daten wie Alter, Sprache und Vorlieben und schickt bestimmten Gruppen – etwa Frauen über 50 – entsprechende Angebote. Mit der Auswertung durch intelligente Algorithmen hingegen könne man neue «Cluster» finden, also eine Menge von Objekten mit ähnlichen Eigenschaften. «So kann man beispielsweise entdecken, dass Kunden, die nach traditioneller Einschätzung völlig verschieden sind, trotzdem ähnliche Muster beim Einkaufsverhalten zeigen.» Solche Erkenntnisse bedeuteten, dass man bestehende und potenzielle Kunden besser erfassen und bedürfnisgerechter an sie herantreten könne.
Sita Mazumder nimmt sich selbst als Beispiel. Sie fühle sich noch immer wie eine etwa 35-jährige Frau, obwohl sie mittlerweile 49 Jahre alt sei. «Ich erhalte aber bereits Werbung, die sich an über 50-Jährige richtet – und erschrecke jedes Mal. Wenn eine Firma komplexere Daten von mir hätte und diese intelligent auswerten würde, könnte sie erkennen, dass ich mich etwa in Bezug auf Reisen und Konsumverhalten tatsächlich wie eine 35-Jährige verhalte – und entsprechend andere Werbung erhalten sollte.»
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