Schnegg erntet heftige Kritik
Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) erntet heftige und breit abgestützte Kritik für einen neuen Gesetzesentwurf im Sozialbereich. Parteien, Verbände und Gemeinden stellen sich quer.

Er war sich schnelle Entscheide und kurze Wege gewohnt: Pierre Alain Schnegg (SVP) führte vor seiner Zeit in der Berner Regierung ein eigenes IT-Unternehmen, wurde in der Privatwirtschaft reich. Dass ihm die teils langwierigen und komplizierten Abläufe in der Verwaltung offenbar Mühe bereiten, zeigte sich in den letzten Jahren bereits mehrfach.
Immer wieder monierten seine Gegner, dass sie nicht genügend in Gesetzgebungsprozesse eingebunden würden. Jetzt aber hat die Kritik eine neue Dimension und Breite erreicht. Die Rede ist von «unseriöser, schludriger und rechtlich fragwürdiger» Arbeit (Grüne), von einer «unausgegorenen» Vorlage (Berner Konferenz für Sozialhilfe) oder einer Missachtung der «elementarsten Spielregeln» (SP).
Breit abgestützte Kritik
Entzündet hat sich die Kritikan einem neuen Gesetz, das Schnegg in die Vernehmlassung geschickt hat. Jetzt endete die Frist. Aktuell ist die institutionelle Sozialhilfe – Beschäftigungsprogramme, Suchtberatungsstellen, Kinderkrippen oder Mütter- und Väterberatungsstellen – gemeinsam mit der individuellen Sozialhilfe in einem einzigen Gesetz geregelt.
Mit dem neuen Erlass will Schnegg diese sogenannten sozialen Leistungsangebote nun separat regeln. Zudem soll die gesetzliche Grundlage für die Einführung der Betreuungsgutscheine für Kindertagesstätten im gesamten Kanton Bern geschaffen werden, die eigentlich unumstritten ist.
Bei den politischen Parteien und kommunalen Verbänden kommt der Entwurf der Gesundheits- und Fürsorgedirektion aber gar nicht gut an. Einzig SVP, FDP und EDU sind mit dem Vorgehen und dem neuen Gesetz einverstanden, wie sie in ihren Vernehmlassungsantworten schreiben.
«Der Entwurf des Gesetzes ist nicht geeignet, um den Gang in den Grossen Rat anzutreten.»
Alle anderen Parteien und damit eine Mehrheit im Grossen Rat lassen kaum ein gutes Haar daran. Bei der BDP und der GLP fällt die Kritik noch am zurückhaltendsten aus. Die GLP etwa ist mit dem Zeitpunkt nicht einverstanden. Die Revision müsse besser mit anderen Gesetzgebungsprojekten abgestimmt werden, schreibt die Partei. Die Einführung der Kita-Gutscheine könne zudem auch im bestehenden Sozialhilfegesetz geregelt werden.
SP weist auf Spielregeln hin
Vehementer werden die Grünen. Zwar sind sie mit einem eigenen Gesetz für die sozialen Leistungsangebote einverstanden. Die Partei kritisiert aber scharf, dass vor dem Gesetzgebungsprozess bereits die dazugehörige Verordnung in die Vernehmlassung geschickt worden ist. Dabei wäre das Vorgehen andersrum. Ihr Fazit: Das schaffe Verunsicherung statt Klarheit.
Grüne, SP und EVP kritisieren zudem, dass eine Synopse fehle – also ein Vergleich des alten mit dem neuen Recht. So seien die Folgen etwa für die Gemeinden kaum abschätzbar. Auch sie weisen darauf hin, dass in der Gesundheits- und Fürsorgedirektion bereits verschiedene andere Verfahren zu ähnlichen Thematiken laufen. «Ohne deren genaue Resultate zu kennen, ist eine seriöse Vernehmlassung nicht möglich», schreibt die SP. Deshalb fordert sie Schnegg dazu auf, die Unterlagen zu überarbeiten, und weist auf die «elementarsten Spielregeln» hin.
Gemeinden brüskiert
Aber auch die Gemeinden stellen sich gegen Schnegg. Sowohl der Verband Bernischer Gemeinden (VBG) als auch die Berner Konferenz für Sozialhilfe (BKSE) lehnen den Entwurf ab. So schreibt etwa Grossrat und VBG-Präsident Daniel Bichsel (SVP) zusammen mit dem übrigen Verbandskader: Der Entwurf des Gesetzes sei «nicht geeignet, um den Gang in die Regierung, in die zuständige grossrätliche Kommission und in den Grossen Rat anzutreten».
Grund dafür ist unter anderem, dass die Verbände nicht in die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs einbezogen worden seien, obschon sie massgeblich davon betroffen sind. Das sei in der Berner Politik ein Novum. «In allen anderen wichtigen Politikbereichen sind die Erlasse immer gemeinsam und in einem partnerschaftlichen Prozess entstanden», steht in der Antwort weiter.
Beim vorliegenden Entwurf seien noch zu viele Grundsatzfragen ungeklärt. So ist etwa vorgesehen, dass künftig die Gemeinden die Aufsicht über die Kitas innehaben werden. Was aber passiere dann mit jenen Kindertagesstätten, die von den Kommunen selber betrieben werden?, fragen Bichsel und Co.
Unklar sei auch, wie dieser zusätzliche Aufwand entschädigt werden soll. Sowohl VBG als auch BKSE verlangen einen kompletten Neustart – diesmal mit Einbezug der Partner. Dem schliessen sich die Städte Bern und Biel in ihren eigenen Eingaben an.
Schnegg sieht kein Problem
Und was sagt Regierungsrat Pierre Alain Schnegg dazu? Auf Facebook reagiert er auf die Kritik der SP. «Ist die SP durch die Dynamik der GEF überfordert?», fragt er dort. Es treffe zwar zu, dass in seiner Direktion zurzeit zahlreiche Gesetzgebungsprojekte am Laufen seien. So wolle er aber dem Reformstau im Sozialbereich begegnen. «Diskussionsverweigerungen sind dabei nicht hilfreich», schliesst er sein Statement ab.
Auf Anfrage weist Gundekar Giebel, Leiter Kommunikation der GEF, auch die übrige Kritik zurück. Die Verbände hätten sich in der Vernehmlassung genügend einbringen können, zumal das Gesetz für sie sowieso «keine ausserordentlichen Auswirkungen» habe.
Eine Synopse sei zudem nicht geeignet, da es sich um einen neuen Erlass handle und dessen Systematik eine komplett andere sei als jene des bisherigen Sozialhilfegesetzes. Deshalb werde das neue Gesetz im Vortrag des Regierungsrats erklärt.
Und auch in der ungewöhnlichen Reihenfolge der Vernehmlassungen von Verordnung und Gesetz sieht die GEF kein Problem. Denn die rechtliche Grundlage für die neue Verordnung sei nach wie vor das bisherige Sozialhilfegesetz.
In einem nächsten Schritt will die Direktion von Schnegg nun die eingegangenen Stellungnahmen auswerten. Erst dann wird über das weitere Vorgehen entschieden. Klar ist aber bereits jetzt: In der vorliegenden Form dürfte das neue Gesetz kaum eine Chance haben.
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