Schmunzelnde Lachnummern
In den vergangenen zwei Jahrzehnten funktionierte bei den deutschen Abfahrern kaum etwas zusammen – beinahe wären die Lichter ausgegangen. Nun erlebt das Speedteam um Thomas Dressen und Andreas Sander die Renaissance.

Wie ein König ohne Land musste sich Werner Margreiter 2005 gefühlt haben. Er war Chefcoach der deutschen Männer, ein Abfahrtsteam im Weltcup jedoch existierte nicht. Zwar gab es im Land rund 3 Millionen aktive Skifahrer, aber keinen, der auf höchster Stufe halbwegs konkurrenzfähig war. Der Klassiker in Kitzbühel fand zweimal ohne deutsche Beteiligung statt; kritisiert wurden der fehlende Siegeswille, die ausbleibende Kämpfermentalität.
An den letzten fünf Olympischen Spielen nahmen genau zwei deutsche Speedfahrer teil – es handelt sich um die Bilanz eines Exotenstaates. Zwei Jahrzehnte lang sei kaum etwas gegangen, meint Andreas Sander, einst Juniorenweltmeister, nun als 28-Jähriger Leader einer jungen Equipe. Und Kollege Thomas Dressen spricht von Überlegungen, die es früher offenbar gegeben habe, die schnellen Disziplinen ganz zu vernachlässigen.
Die Prognose des Trainers
Mittlerweile ist Mathias Berthold Chef der deutschen Männer. 2014 kündigte er den Siege sichernden Job bei den Österreichern, übernahm völlig überraschend den chronisch erfolglosen Nachbarn. Er ortete Potenzial; der 52-Jährige prophezeite schon beim Amtsantritt, bis zu den Winterspielen vom kommenden Februar in Pyeongchang werde die Equipe konkurrenzfähig sein.
Berthold wurde schräg angeschaut. Und nachdem Felix Neureuther kurz nach Saisonbeginn einen Kreuzbandriss erlitten hatte, schrieb die «Süddeutsche Zeitung», ein Olympiamedaillengewinn von Deutschlands Männern sei so wahrscheinlich wie Schneefall im Juni.
Sander meint, die Worte hätten ihn nicht getroffen. «Deutschlands Abfahrer waren in den Augen mancher Experten immer Lachnummern – das sind wir wohl heute noch. Das stachelt uns zusätzlich an», hält er schmunzelnd fest. Auf Neureuthers Ausfall reagierten die Deutschen ohnehin eindrücklich: Stefan Luitz beendete die zwei letzten Riesenslaloms auf dem Podest, erstaunlich aber ist primär die Steigerung im Speedbereich.
Sander, Dressen, aber auch Josef Ferstl verkörpern den Wandel, haben die Olympialimite bereits geschafft. Dressen wurde in Beaver Creek Dritter, es handelte sich um den ersten Abfahrtspodestplatz eines Deutschen seit 13 Jahren. Nach 4 von 15 Rennen hat das Speedteam bereits 261 Weltcuppunkte geholt – weitaus mehr als in der Vergangenheit während manch einer kompletten Saison (siehe Tabelle unten). Auch der Abstand zu den Schweizern und Österreichern hat sich reduziert.

Das Schicksal des Vaters
Im gestrigen Training in Gröden fuhren Dressen und Sander auf die Plätze 3 und 4. Letzterer sagt, der Aufschwung sei eng mit dem Trainerteam um Berthold sowie Christoph Schwaiger, einst Coach von Maria Höfl-Riesch, verbunden. «Früher wurden viele Fehler gemacht, Konzepte immer wieder über den Haufen geworfen. Nun herrscht Kontinuität, nun wird nach einem Rückschlag nicht gleich jedes Konzept und jeder Athlet infrage gestellt.»
Dressen seinerseits ist erst 24 und kein typisches Verbandsprodukt, besuchte er doch ein Skiinternat in Österreich. Vater Dirk war Biathlet und sein grosser Förderer, er verstarb im September 2005 bei einem Seilbahnunglück. Ein Lastenhubschrauber hatte einen 750 Kilogramm schweren Betonkübel verloren, er stürzte auf eine Gondel und riss neun Menschen in den Tod. «Ich fahre auch für meinen Papa, der leider nicht mehr da ist», meint Dressen, «das gibt mir Kraft.» Ein Abfahrtskönig ist der Bayer noch nicht. Wobei Beat Feuz ihn schon mal als «ganz heissen Mann für die Zukunft» ankündigt.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch