Allgegenwärtige PlastikflutSchält eure Eier selber!
Die Schweiz gehört zu den grössten Abfallsündern Europas. BE-Post-Kolumnistin Simone Lippuner ortet die Verfehlungen vor allem in den Supermärkten.

Liebe Grossverteiler
Ich teile eine kleine Anekdote mit euch. Anfang der Nullerjahre waren Freunde aus Südamerika zu Besuch bei uns in Bern. Nebst der Schoggi und den Bergen fanden sie vor allem eins ganz toll: die Abfalltrennung. Sie staunten über das System, das damals vielerorts noch als avantgardistisch galt, und sortierten während ihres Aufenthalts jeweils emsig Glas, Papier, Grünzeug und Restmüll.
Dieser Restmüll katapultiert die Schweiz nun, 20 Jahre später, an die Spitze einer unrühmlichen Statistik: Am Montag machte die international tätige NGO Oceancare publik, dass die Schweiz zu den grössten Abfallsündern Europas gehört. Dies, weil im angeblich saubersten Land der Welt schlicht zu viel Plastik produziert wird. Mit 109 Kilogramm produziertem Plastikmüll pro Kopf und Jahr rangiert die Schweiz in Europa nach Luxemburg auf Platz zwei, wie eine Studie im Fachmagazin «Science Advances» darlegt.
Und hier kommt ihr ins Spiel, liebe Grossverteiler. Ihr seid mitverantwortlich für diesen Schlamassel. Denn mit 350’000 Tonnen jährlich machen Verpackungen in der ganzen Plastikflut den Löwenanteil aus. Ein Rundgang durch eure Filialen ist ein Beweis dafür. Verpackungssünden, wohin das Auge reicht. Vorneweg: Es leuchtet ein, dass niemand das Viererpack Vermicelles oder das Pouletgeschnetzelte in einem Netzli kaufen würde.
Aber: Weshalb sind nicht alle Eier in Kartonschachteln? Weshalb muss eine einzelne Frucht eingeschweisst werden? Und: Weshalb sind oft die Biogemüse und -früchte verpackt, die konventionell produzierte Ware aber nicht – vor allem, wenn ja die Gurken oder Kiwis dieselbe Reise hinter sich haben? Generell sind in euren Läden die Verpackungsalternativen massiv in Unterzahl – Netze, Karton oder gar nichts: Es gäbe viele Möglichkeiten.
Aber, liebe Grossverteiler, ihr seid selbstverständlich nicht die Alleinschuldigen. Die Sünde beginnt eigentlich woanders: bei den Konsumenten. Und die werden immer fauler! Wieso bitteschön braucht es bereits geschälte Kartoffeln, vorgekochte frische Kichererbsen, gerüsteter Röselichöl, alles vakuumverpackt? Den Vogel abgeschossen habt ihr vor einiger Zeit mit einer Zweierpackung geschälter Eier – die verschwanden dann zum Glück irgendwann wieder aus dem Sortiment.
Oceancare versucht, Druck auf die Politik zu machen. Beispielsweise könnten Verbote von Take-away-Verpackungen verankert werden. Doch auf Bundesebene hat man für Verbotsforderungen momentan wenig Gehör, obwohl zum Thema immer wieder Vorstösse eingereicht werden.
Bis ernsthaft Bewegung in die Sache kommt, könntet ihr Verantwortlichen der grossen Supermarktketten mehr Verantwortung übernehmen, um den Plastikwahn zu stoppen. Der Rest liegt bei uns allen. Glas statt PET. Mehrweggeschirr. Auf dem Markt einkaufen. Und wenn wir dann wirklich zu faul und bequem sind, unser Gemüse selber zu waschen, zu rüsten und zu kochen oder das Brot fürs Fondue eigenhändig zu schneiden, gehen wir doch einfach lieber ins Restaurant!
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