Luftqualität in der BahnSBB öffnen Zugtüren nicht mehr automatisch, weil es draussen kalt ist
Seit diesem Monat müssen Zugpassagiere wieder selbst auf den Knopf drücken. Die SBB wollen damit Energie einsparen. Doch was ist mit infektiösen Aerosolen?

Die meisten haben sich in den letzten anderthalb Jahren daran gewöhnt: Der Zug hält, die Tür geht automatisch auf. Die Verkehrsunternehmen in der Schweiz führten die Praxis zu Beginn der Pandemie ein, um die Luftzirkulation im Fahrzeuginneren zu fördern und Aerosolinfektionen zu vermeiden. Dass die Kundschaft gleichzeitig die Türknöpfe nicht mehr drücken muss und damit mögliche Schmierinfektionen verhindert werden, ist ein angenehmer Nebeneffekt.
Jetzt haben sich die SBB von der Praxis verabschiedet. «Die Türen werden seit Anfang November nicht mehr automatisch geöffnet», bestätigt ein SBB-Sprecher gegenüber dieser Zeitung. «Die Massnahme wurde im Frühling 2020 eingeführt und auch im vergangenen Winter beibehalten.»
Der Sprecher begründet das Vorgehen mit der kalten Witterung. «Wenn in Randzeiten, wo nur wenige Reisende in den Wagen sitzen, trotzdem immer alle Türen geöffnet werden, obwohl niemand ein- und aussteigt, gehen Wärme und Energie verloren.»
Eine gute Luftzirkulation und die Frischluftzufuhr seien durch die modernen Klimaanlagen in den Fahrzeugen jedoch sichergestellt, schreibt der Sprecher. «Dies ist besonders für lange Strecken im Fernverkehr wichtig, wo zwischen zwei Halten und Türöffnungen bis zu eine Stunde vergeht.» Die Luft im Zugsinneren werde im Schnitt sechs bis zehn Mal pro Stunde komplett mit Aussenluft erneuert.

«Zwangsöffnungen» bringen Probleme mit sich
Auf die Nachfrage, warum dieser Schritt gerade jetzt erfolge und nicht schon vergangenen Winter, muss der Sprecher ausholen: Durch solche zentral vorgegebenen «Zwangsöffnungen» würden auch Zugteile geöffnet, die aus betrieblichen Gründen geschlossen bleiben sollten. «Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Zugkomposition an einem nächsten Bahnhof abgekoppelt und in eine Serviceanlage übergeführt wird oder wenn ein Zugteil wegen verkürzter Perrons aufgrund von Baustellen abgeschlossen ist.» Dies werde mit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember häufiger der Fall sein.
Der Schritt der SBB widerspricht dem gemeinsamen Schutzkonzept der ÖV-Branche nicht. Dieses sieht vor, dass die einzelnen Verkehrsunternehmen witterungsabhängig in eigenem Ermessen entscheiden, ob sie die Türen öffnen oder nicht.
Mehrere angefragte andere Verkehrsunternehmen haben sich allerdings anders entschieden als die SBB. So schreiben die Basler Verkehrsbetriebe, dass ausser bei den alten Trams des Typs Cornichon, wo dies technisch nicht möglich sei, die Türen aller Fahrzeuge an jeder Haltestelle jeweils geöffnet würden. Die Verkehrsbetriebe in Bern (Bernmobil) und Zürich (VBZ) tun es ihnen gleich, ebenso die Südostbahn.
BLS macht es schon länger wie die SBB
Am ausgeklügeltsten ist das Konzept bei der Rhätischen Bahn. Grundsätzlich wird dort gelüftet. «Bei Halten in Ausgangsbahnhöfen kann das schon mal fünf bis zehn Minuten dauern», schreibt eine Sprecherin. Anfang November 2021 habe man aber bestimmt, dass bei schlechter Witterung oder Aussentemperaturen unter zehn Grad spätestens nach zwei Minuten die Türsteuerung wieder normal freigegeben werden solle. «So soll dem Komfort für den Fahrgast und dem Energieverbrauch der Heizungen Rechnung getragen werden.»
Die Regionalbahn BLS dagegen hat sich schon im vergangenen Juni dazu entschlossen, die Türen nicht mehr automatisch zu öffnen. Ein Sprecher begründet den Schritt damit, dass mit den automatischen Türöffnungen sowieso nur ein geringer Teil des Fahrzeugs gelüftet werde und dadurch unnötig Energie verloren gehe. «Die Versorgung der Züge mit Frischluft wird durch die Lüftung sichergestellt.»
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