SBB müssen Behindertenbereich nicht erweitern
Das Bundesgericht gibt den SBB recht: In den neuen Intercity-Zügen braucht es keine zusätzlichen Behindertenplätze ausserhalb der Verpflegungszone. Behindertenorganisationen sind enttäuscht.

Die SBB müssen den Behindertenbereich in ihren neuen Intercity-Zügen nicht erweitern. Laut Bundesgericht ist es entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht notwendig, zusätzliche Plätze ausserhalb der Verpflegungszone im Unterdeck anzubieten.
Gemäss den Plänen der SBB wird in den zukünftigen Doppelstock-Fernverkehrszügen IC200 der Rollstuhlbereich mit drei Plätzen und einer behindertengerechten Toilette in der Verpflegungszone im Unterdeck des Speisewagens untergebracht. In den restlichen Wagen ist je ein Rollstuhlplatz ohne Spezial-WC vorgesehen.
Zwei Züge in Vorserie
Das Bundesamt für Verkehr segnete die entsprechenden Pläne der SBB 2011 ab. Im März 2012 hiess das Bundesverwaltungsgericht dann aber die Beschwerde der Behindertenorganisationen «Integration Handicap» und «Stiftung zur Förderung einer behindertengerechten baulichen Umwelt» teilweise gut.
Das Gericht teilte dabei deren Ansicht, dass Rollstuhlfahrer im Vergleich zu anderen Fahrgästen schlechter gestellt würden, wenn sie grundsätzlich im Speisebereich reisen müssten. Die SBB wurden verpflichtet, im Nachbarwagon zum Verpflegungsbereich drei weitere Rollstuhlplätze und eine Spezial-Toilette einzurichten.
Das Bundesgericht hat nun aber den SBB Recht gegeben und ihre Beschwerde gutgeheissen. Die Bundesbahnen werden damit ihre ursprünglichen Pläne umsetzen können. Zwei der insgesamt zwanzig geplanten IC200 haben die SBB allerdings bereits in einer Vorserie nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts bestellt.
Vergleichbare Leistung erbracht
Bei ihrer Beratung von heute kam eine Mehrheit von drei der fünf Richter der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung in Lausanne zum Schluss, dass die von der SBB geplante Gestaltung keine verfassungswidrige Benachteiligung für Behinderte bedeute.
Laut Gericht steht fest, dass die SBB ihr Angebot Behinderten und Nichtbehinderten in vergleichbarer Weise erbringen müssen. In Bezug auf die Leistungen «Transport» und «Speisewagen-Service» sei dies mit der geplanten Variante gewährleistet.
Wenn Rollstuhlfahrer in einem Bereich reisen würden, in dem sie selber oder andere Behinderte auch essen könnten, stelle dies keinen rechtlich relevanten Nachteil dar. Störungen irgendwelcher Art – sei es durch essende oder telefonierende Mitreisende – seien heutzutage im Zug ohnehin von jedermann hinzunehmen.
Keine Gefahr für «Rollstuhl-Ghetto»
In der Verpflegungszone für Rollstuhlfahrer seien zudem elf Sitzplätze für nichtbehinderte Reisende vorgesehen. Damit sei auch sichergestellt, dass es zur angestrebten Durchmischung mit Nichtbehinderten komme und kein «Rollstuhl-Ghetto» entstehe.
Die SBB haben bei Bombardier insgesamt 59 neue Doppelstockzüge bestellt, davon 20 IC200 Fernverkehrszüge. Geliefert werden sollten sie eigentlich ab Dezember 2013. Unter anderem wegen dem nun beendeten Rechtsstreit verzögert sich die Lieferung aber um bis zu zwei Jahre, wie die SBB schon früher mitteilten.
Weitere Gründe für die Verspätung liegen darin, dass die SBB rund 200 Organisationen in die Gestaltung der Züge miteinbezogen. Schliesslich hatte Lieferantin Bombardier den Wagenkasten der neuen Doppelstock-Züge ursprünglich so konstruiert, dass diese für Fahrten mit bis zu 200 km/h im Gotthard-Basistunnel nicht genügten. (Öffentliche Beratung vom 22. Februar 2013 im Verfahren 2C_380/2012)
Behindertenorganisationen enttäuscht
Behindertenorganisationen zeigen sich nach dem Bundesgerichtsurteil von heute enttäuscht. Behinderte seien nun gezwungen, in einem engen Sonderabteil zu reisen, teilten die mit ihrer Beschwerde gescheiterten Organisationen «Integration Handicap» und «Stiftung zur Förderung einer behindertengerechten baulichen Umwelt» mit. Rollstuhlfahrer hätten nun keinen Zugang zum Speisewagen und zu den gewöhnlichen Fahrgastbereichen.
Bei den SBB reagiert man erleichtert. Das Urteil sei ein wichtiges Signal, schreibt die Bahn in einem Communiqué. Intern werde nun geprüft, ob der Entscheid noch umgesetzt werden könne. Die SBB hatten nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht bereits eine Anpassung der Züge beantragt. Aufgrund der Anpassungen entstünden Mehrkosten von rund 10 Millionen Franken.
SDA/rbi
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