Salvini will Mafia-Gegner nicht mehr beschützen
Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano steht seit zwölf Jahren unter Polizeischutz. Nun will Italiens neuer Innenminister die Bodyguards abziehen.

Politisch kann man von Roberto Saviano halten, was man will. Der erfolgreiche Journalist und Autor aus Neapel, weltberühmt seit seinem Erstling «Gomorrha» über die kampanische Mafia, die Camorra, äussert sich schon lange zu allen möglichen gesellschaftlichen Themen. Furchtlos, eloquent und hoch politisch.
Roberto Saviano (38) ist ein linker Intellektueller alter Tradition, immer auf der Seite der Schwächsten. Es gibt ja nicht mehr viele von ihnen. In seinen Auftritten neigt er zum dramatischen Monolog, das Stakkato in seinem Duktus ist unverkennbar. Viele lieben ihn dafür. Im Netz schlägt ihm aber auch offener Hass entgegen, vor allem aus den trübsten Ecken. Und damit muss Roberto Saviano wohl einfach leben, er ist auch nie zimperlich mit den Hetzern und den Rassisten.
Leibwache nicht beantragt
Nun aber hat ihn jemand angegriffen, der ihn eigentlich beschützen sollte, auch an Leib und Leben: Italiens neuer Innenminister. Matteo Salvini von der rechtsextremen Lega sagte in einer Fernsehsendung, die zuständigen Behörden würden gerade prüfen, ob Saviano noch immer bedroht werde, ob also die Steuergelder, die für die fünf Männer seiner Leibwache ausgegeben würden, auch richtig angelegt seien. Die Formulierung ist ausgesucht perfid, und sie passt schrecklich gut in die allgemeine Verrohung der öffentlichen Debatte in Italien. Die Botschaft dahinter lautet so: Saviano ist ein Schauspieler, seine Courage ist inszeniert, die Bodyguards gehören zur Show.
Seit bald zwölf Jahren steht Saviano unter ständigem Polizeischutz. Er hat den nicht selber beantragt, wie das keiner der rund 200 Journalisten tut, die in Italien beschützt werden müssen. Das macht der Präfekt, wenn es klare Indizien gibt, dass die Mafia einen Reporter oder Richter, einen Aktivisten oder allzu forschen Kritiker töten will. Bei Saviano gewann man diese Überzeugung nach einem Herbstabend 2006. Er war damals 26 und hatte gerade auf einer Piazza in Casal di Principe bei Neapel der Bevölkerung zugerufen, sie möge sich auflehnen gegen die Bosse der lokalen Clans. Gegen die mächtigen Casalesi. Und die machten klar, dass sie nicht eher ruhen würden, als bis er tot sei.
Seither macht Saviano keinen Schritt mehr allein. Will er sich spontan mit einem Freund treffen, geht das nicht. «Zwei Stunden sind mindestens nötig, bis alle Stellen informiert sind», sagt er. Zwölf Jahre geht das schon so. Zuweilen entflieht er den Zwängen und versteckt sich in New York. Ist das ein Leben?
Nach Salvinis Perfidie stellte sich Saviano vor eine Kamera und teilte dem Minister in einem Post auf Facebook mit, was er von ihm hält. Das ist nicht viel, natürlich. Einen «buffone» nennt er ihn. Einen «Feigling», der sich im Wahlkreis im kalabrischen Rosarno wählen lasse, bei seinen Auftritten aber nie ein Wort gegen die kalabrische Mafia sage, die 'Ndrangheta.
«Minister der Unterwelt»
Einen «Minister der Unterwelt», nennt er ihn auch. «Ich stehe unter Schutz, seit ich 26 bin», sagt er, «bedroht von den Casalesi und von den mexikanischen Narcos. Glaubst du wirklich, dass ich Angst vor dir habe?» Er sei stolz, dass Salvini ihn zu seinen Feinden zähle, zusammen mit den Migranten, den Roma und den Sinti, mit allen Schwachen eben, die der Minister hasse und die er missbrauche für seine politische Propaganda. «Das ist nicht mehr unsere Republik», sagt Saviano zum Schluss. «Nehmen wir Salvini die Möglichkeit weg, Hass und Hohn zu schüren, ständig Lügen zu verbreiten. Wer heute nicht Position bezieht, der macht sich für immer schuldig.»
Vielleicht steckt in diesem Appell der Samen für eine neue Opposition. Vielleicht weckt Saviano damit die unterlegene Linke, die dem rechten Scharfmacher seit einigen Wochen ohnmächtig zuschaut. Und vielleicht schüttelt er auch die Fünf Sterne, die mit Salvini regieren und sich ihm unterwerfen. Saviano sagt über die Cinque Stelle: «Was für eine Pein: Sie wurden gross mit dem Ruf nach Ehrlichkeit, nun enden sie als Krücke dieser Bande von Dieben.»
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