Krieg in der UkraineRussische Kommandeure machen riskante Manöver
Russlands Vormarsch kommt nach Ansicht der Briten «wegen nachlassender Energie» kaum voran. Das erhöht die Zahl der Fehler.

Es waren heftige Kämpfe zwischen den ukrainischen Verteidigern und den russischen Angreifern, die der Osten der Ukraine in der Region Luhansk und der ganzen Frontlinie im Donbass am Freitag und in den Tagen zuvor erlebt hat. Die Ukraine sprach von 18 abgewehrten Angriffen und diversem zerstörtem russischem Kriegsgerät. Der britische Militärgeheimdienst und die Experten des Institute for the Study of War konstatierten: Der russische Vormarsch komme trotz der starken Konzentration von Truppen in der Region dort zumindest nicht entscheidend voran.
Was sich am Fluss Siwerskji Donez im Donbass westlich der Stadt Sjewjerodonezk seit Mittwoch ereignete, wird als signifikant gesehen. Offenbar haben ukrainische Einheiten dort ein ganzes russisches Bataillon zurückgeschlagen, das den Fluss überqueren wollte, und schwer, wenn nicht vernichtend getroffen. Es könnten bis zu 1000 Russen getötet worden sein, hiess es von ukrainischer Seite. Bestätigen lasse sich die Zahl nicht, teilte der britische Militärgeheimdienst dazu mit.
Luftaufnahmen von Drohnen zeigen verwüstetes Gelände am Fluss, verkohlte Bäume, zerstörte Gebäude, ausgebrannte Panzer und eine Ponton-Brücke, die schräg abgebrochen mitten im Fluss endet. Neben der Ausrüstung für solche Ponton-Brücken habe das russische Bataillon fast alle gepanzerten Fahrzeuge verloren, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.
Es lieferte diese Einschätzung: «Flussüberquerungen in einem umkämpften Gebiet sind ein besonders riskantes Manöver; das spricht dafür, wie die russischen Kommandeure unter Druck stehen, Fortschritte bei ihren Operationen in der Ostukraine zu erzielen.»
Indem die Russen versuchen, auf das andere Ufer des Siwerskji Donez zu gelangen und Richtung Slowjansk und Kramatorsk durchzubrechen, wollen sie nach Kiewer Angaben die ukrainischen Truppen vom Nachschub aus westlicheren Landesteilen abschneiden.
Ob dies aufgeht, bezweifeln die Forscher des Institute for the Study of War. Sie stellen ein «bemerkenswertes Nachlassen der Energie» beim Vormarschversuch fest. Es sei möglich, dass die weiträumige Umzingelung der Ukrainer aufgegeben werde zugunsten einer «flacheren», wie es im Strategen-Jargon hiess.
Keine Erlösung für Charkiw
Nördlich und nordöstlich von Charkiw, der zweitgrössten Stadt der Ukraine, haben ukrainische Kräfte nach ihren Angaben einige Orte zurück erkämpft und die Russen in Richtung Grenze gedrängt. Doch im russischen Belgorod soll laut ukrainischen Quellen das russische Militär bereits Truppen konzentriert haben, vermutlich für eine neue, grosse Offensive.
Dass die Angreifer rund um Charkiw zurückgedrängt wurden, bedeutet keine Erlösung für die Stadt, in der vor dem Krieg 1,5 Millionen Menschen lebten. In der Nacht zum Freitag, so gab der Sprecher des Moskauer Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, bekannt, habe man im Gebiet Charkiw 500 Raketen auf militärische Objekte abgefeuert, auch ein Kampfflugzeug sei abgeschossen worden.
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