RUDOLF WINKLER, BAUER UND GEMEINDEPRÄSIDENT AUS ELLIKON AN DER THUR, IM STREIT MIT DEM SCHWEIZER RECHTSSTAAT
Es geht um einen Verstoss gegen die Tierschutzvorschriften, der banal anmutet. Der 54-jährige Landwirt Rudolf Winkler aus Ellikon an der Thur hat ein Kälbchen in einer Box gehalten, die angeblich weniger breit war als die minimal vorgeschriebenen 85 Zentimeter. Das hielten Polizisten nach einer Kontrolle in einem Protokoll fest. Die Busse von 600 Franken wollte Winkler nicht auf sich sitzen lassen. Er zog den Fall durch alle Instanzen - und erhielt jedes Mal eine kalte Dusche. Drei Gerichte bis hinauf zum Bundesgericht bestätigten, die Kälberbox entspreche nicht den Tierschutzvorschriften. Das Urteil der höchsten Richter hat Winkler im Innersten getroffen - und sein Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert. «Es ist noch ein Funke da, mehr aber nicht», sagt der Bauer, der auch Gemeindepräsident ist. Für ihn ist klar: «Ich lasse mich nicht für etwas verurteilen und büssen, das nachprüfbar nicht stimmt.» Darum will er den Fall an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg weiterziehen.
Bei einem Besuch auf dem Hof zeigt er das Corpus Delicti, hält den Meter zwischen die Bretter. Das Innenmass: 85 Zentimeter. Keiner der Richter liess je nachmessen. Den Einwand, er hätte die Box längst abändern oder auswechseln können - was ihm auch schon unterschoben wurde -, lässt Winkler nicht gelten. Fotos zeigen, dass die fragliche Box dieselben Masse aufweist wie eine tierschutzkonforme, unmittelbar danebenstehende.
Winkler hat das Gefühl, dass die Behörden, stur und allmächtig, an ihm ein Exempel statuieren wollen. Was ihn besonders in Rage bringt: «Das Berufswissen von uns Bauern wird schlicht unter den Tisch gekehrt.» Der Landwirt aus Ellikon ist eine Kämpfernatur, im Sternzeichen Schütze geboren, von einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn beseelt. So trat der Gemeindepräsident 2005 aus der SVP aus, weil Nationalrat Christoph Mörgeli den damaligen Bundesrat Samuel Schmid in einer Kolumne als charakterlos bezeichnet hatte.
Winkler sitzt seit 1986 im Gemeinderat von Ellikon, seit 1990 ist er dessen Präsident. Nächstes Jahr will er erneut für eine vierjährige Amtsperiode kandidieren. In der Gemeindeexekutive betreut er nebst den Finanzen und dem Forst auch die Landwirtschaft.
Der Meisterlandwirt sieht sich als treuer Diener des Staates brüskiert. Im Militär hat er bei den Panzertruppen gedient, danach im Stab der Territorialdivision 4. Er ist Major, hat insgesamt 1200 Diensttage geleistet. Und in der Gemeinde engagiert er sich in Vereinen, ist Präsident des Männerchors, Mitglied im Schützenverein. Seit Jahrzehnten verwaltet er auch eine Holzkorporation. Die Arbeit für das Gemeinwesen, der direkte Kontakt mit der Bevölkerung, das macht ihm sichtlich Spass. Das Amt als Gemeindepräsident vergleicht er mit dem Dienst als Militärkommandant.
Seit 25 Jahren bewirtschaftet Winkler den Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb zwischen Rickenbach und Ellikon alleine. Am Wochenende helfen ihm oft die Söhne. Im Stall stehen 20 Kühe. Der Rechtsstreit um die Kälberbox hat ihn schon mindestens 8000 Franken gekostet. Was, wenn er auch in Strassburg abblitzt? Er zuckt mit den Schultern, hebt die Augenbrauen. Vielleicht rollt er dann den Fall neu auf, wenn das möglich ist. Major Winkler will kämpfen, bis er zu seinem Recht kommt, koste es was es wolle. Ist er eine tragische Figur wie Kleists Kohlhaas? Nein, nein. Es will ihm schlicht nicht in den Kopf, dass Bauern wegen einer Lappalie kriminalisiert werden. Dass die Justiz ausgerechnet mit ihm das Kalb machen will.
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