Rossinis Wilhelm Tell ist ein Bariton
Ein Tellspiel wie dieses gabs in der über 100- jährigen Geschichte der Tellspiele Interlaken in Matten noch nie: Im Zentrum steht die Oper Guillaume Tell von Gioachino Rossini.

Das 2015 gestartete 8-Millionen-Franken-Projekt, Rossinis Grand opéra Guillaume Tell auf dem Rütli aufzuführen, wurde auf 2020 verschoben. In Matten ist es in doch kurzer Zeit gelungen, eine berührende Opernversion auf die Bühne zu bringen.
Dank der Kooperation der Concert 200 GmbH mit den Tellspielen. Diese haben die Kulisse, die Tribüne und engagierte Darsteller, die so motiviert sind, dass sie zu Orchesterklängen tanzen. Und sie haben Pferde, die sich auch von ganz grosser Musik nicht fürchten.
Viele wissens: Das Hornklangmotiv der Schweizer Postautos stammt aus der Ouvertüre der Oper. Noch bekannter ist das Finale dieser Ouvertüre: Der Komponist lässt die Schweizer nach dem erfolgreichen Freiheitskampf galoppieren.
Regisseurin Rita Kälin malt in Matten zur Ouvertüre mit ein lebhaftes, leicht romantisierendes Hirtenleben auf die Bühne. Galoppiert wird mit Steckenpferden. Eines liess sogar einen Apfel fallen. «Unsere Inszenierung eignet sich dafür, neue Opernfreunde zu gewinnen», sagt Marketingleiterin Jrène Küng.
Hornist Peter Dimitrov war der einzige Musiker, der auf der Bühne auftrat. Rossini hat einige «Ranz des vaches» als Leitmotiv für das Hirtenleben in seine Oper eingebaut. Das Echo auf die Hornklänge kam aus der Curlinghalle. Das ausgezeichnete Liveorchester spielte dort.
Die 360-Grad-Übertragung klappte wunderbar, die Musik hüllte das Publikum so schön ein, dass die Gefahr bestand, die Musiker zu vergessen. Zumal auch die Dirigentin Agnes Ryser unsichtbar war, weil sie Chöre und Orchester ganz hinten auf der Zuschauerbühne dirigierte. Umso präsenter waren die Chöre. In Grau und Schwarz standen Sängerinnen und Sänger dicht an dicht vor und auf der Burg Zwing Uri. Sie waren als Sänger die Alphirten und die Soldaten, und die Tellspieler spielten diese auf der Bühne stumm. Manchmal eher als Kulisse, manchmal aktiv ins Geschehen eingreifend. Gesungen wurde französisch. Es ging um heitere Tage, Wasserfälle, Liebe, Freiheit, Ruhm, Gott.
Die Tellspieler haben in etlichen Inszenierungen auch gesungen. Ganz neu waren die Solisten. Rossini gab seinem Tell einen Bariton. Der italienische Sänger Davide Damiani spielte die Rolle des Freiheitshelden mit hoher Sensibilität für äussere und innere Nöte.
Als starke Frau sang an der Premiere die Schweizer Mezzosopranistin Claude Eichenberger die Hedwig. Die französische Sopranistin Gina Gloria Tronel gab den Tell-Sohn Jemmy glockenhell als selbstbewussten, kecken Jungen.
Wandlungsfähig war die samtig-kräftige Belcanto-Stimme des italienischen Tenors Alessandro Luciano. Er war Fischer, ein giftig-listiger Soldat und Arnold von Melchtal. Auch der schweizerisch-serbische Bass Boris Petronje übernahm mehrere Rollen: Als Gessler kam er sogar zu Ross, als Vater Melchthal traute er ein Hochzeitspaar, und als Walter Fürst leistete er zusammen mit Wilhelm Tell und Arnold von Melchtal stimmgewaltig den Rütlischwur.
Regisseurin Rita Kälin übernahm etliches von der Inszenierung von Ueli Bichsel, zum Beispiel auch das Bühnenschiff, aus dem Tell auf die Tellsplatte springt. Eine spannende Lösung fand sie, um die drohende Gewalt darzustellen: Die Söldner, ihre Befehlshaber und die Reiter näherten sich bedrohlich der Tribüne.
Während des abschliessenden Freiheitschors standen die Schauspieler stumm vor dem Publikum. Wie ist es heute mit der Freiheit? Die gegen 1200 Besucher dankten am Samstag für das Erlebnis mit Standing Ovations.
Die Oper Tell mit einem 52-köpfigen Orchester, fünf Solisten und rund 300 Sängerinnen und Sängern, Schauspielerinnen und Schauspielern wird am 14. und am 15. September jeweils um 20 Uhr im Tellspielareal in Matten aufgeführt. Im Vorprogramm um 19 Uhr präsentiert sich die Zentralschweiz mit Trachtentänzen. Dazu tritt das Alphornensemble Engiadina St. Moritz unter der Leitung des legendären Tourismusdirektors Hanspeter Danuser auf.
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