Roger Federer: Der Beste und neu die Nummer 4
Wie stehen nach seinem grandiosen Triumph in Miami Roger Federers Chancen, Andy Murray als Nummer 1 abzulösen? Wer wird dereinst die «Big 4» beerben? Prognosen und Erklärungen.
Roger Federer ist momentan mit Abstand der beste Tennisspieler der Welt, das hat er am Sonntag im Final des Miami Open einmal mehr eindrücklich bewiesen. Er hat 2017 mehr Punkte gesammelt als Rafael Nadal und Stan Wawrinka, seine ersten Verfolger, zusammen. Wird der Baselbieter nun im Verlauf der Saison zum vierten Mal die Nummer 1?
Unter normalen Umständen müsste die Antwort «sehr wahrscheinlich» lauten. Doch Federer hat angekündigt, seinem Körper immer wieder Pausen zu gönnen. In seinem Kalender ist in den nächsten gut zwei Monaten nur das French Open eingetragen, und es ist nicht anzunehmen, dass er mehr als ein weiteres Sandplatzturnier hinzufügt.
Nadel hat hingegen vor dem Grand-Slam-Event in Paris vier Turnierteilnahmen eingeplant und kann auf seiner Lieblingsunterlage daher bis zu 5500 Zähler gewinnen. Aufgrund seiner momentanen Form überraschte es nicht, würde er einen erheblichen Teil dieses Maximums holen.
Die halben «Big 4» reichen
Für Novak Djokovic sieht es mittelfristig unabhängig von seinen Ellbogenproblemen weniger gut aus, weil er vorerst fast nur Punkte verlieren kann. Das Polster Andy Murrays ist dick; selbst wenn er aufgrund seiner Ellbogenverletzung bis und mit US Open erfolglos spielte, wovon nicht auszugehen ist, hätte er danach noch rund 6000 Zähler auf dem Konto.
Objektiv betrachtet ist Nadal der gefährlichste Konkurrent für den Schotten, sofern der Mallorquiner gesund bleibt. Im Spätherbst könnte dann auch Federer in den Kampf um die Weltranglistenspitze eingreifen. Voraussetzung ist, dass er auf Rasen an die seit Jahresbeginn gezeigten Leistungen anknüpft.
Was sich derzeit in den grossen Tennisstadien dieser Welt ereignet, zeigt einmal mehr, welch aussergewöhnliche Spieler Federer, Nadal, Djokovic und Murray sind. Mehrmals schon ist das Ende der «Big 4» ausgerufen worden. Doch obwohl der Spanier und der Schweizer 2016 grösstenteils ausser Gefecht oder ausser Form waren, holte der «Rest der Welt» nur 2 der 15 bedeutenden Titel. Und heuer, da Djokovic und Murray von Problemen geplagt werden, haben Federer, ab heute die Nummer 4, und Nadal an den drei Topevents der Konkurrenz nur die Brosamen übrig gelassen.
Mit Marin Cilic, Kei Nishikori, Milos Raonic und Grigor Dimitrov hat es im Alterssegment 24 bis 28 ein paar aussergewöhnlich begabte Profis, dennoch sieht es danach aus, als ob keiner von ihnen sich zum Dominator wird aufschwingen können – vielleicht mal ein Grand-Slam-Titel, aber die Nummer 1 eher nicht.
Vorläufig regieren noch die «Big 4», und danach dürfte die Zeit der übernächsten Generation (aus Sicht Federers der überübernächsten Generation) beginnen. Der 19-jährige Deutsche Alexander Zverev verfügt über immenses Potenzial und über ein Selbstbewusstsein, das an Arroganz grenzt. Ähnlich, wie es vor einem Jahrzehnt bei Djokovic der Fall war. Sportlich noch einen Schritt weiter ist Nick Kyrgios.
Talent ohne Ende
Der 21-jährige Australier verfügt über keine Lehrbuchtechnik, aber über Talent ohne Ende. Er vermag den Ball zu beschleunigen wie nur ganz wenige, und er hat eine grossartige Spielübersicht, Ballgefühl wie sonst wohl nur noch Federer und die Gabe, gegen die stärksten Gegner sein bestes Niveau zu erreichen.
Er schlug kürzlich zweimal Djokovic, und im Halbfinal von Miami bot er Federer im hochklassigsten Best-of-3-Match dieser Saison während über drei Stunden Paroli. Der Unterhaltungswert dieses Duells war nicht nur der Spannung wegen extrem hoch, sondern auch, weil die beiden spektakulärsten Spieler aufeinandertrafen.
Kyrgios' Achillesferse, entschuldigen Sie das schräge Bild, geht von Ohr zu Ohr. Abseits des Rampenlichts fehlt ihm häufig die Motivation, und allzu oft bringt er durch sein überschäumendes Temperament nicht nur das Publikum gegen sich auf, sondern sich selber aus dem Konzept. Doch in den letzten Wochen waren auf mentaler Ebene markante Fortschritte erkennbar.
Wenn der Hochbegabte diesen Weg weitergeht, wird er schon in Wimbledon zu den Titelkandidaten und dereinst zu den Dominatoren im Tenniszirkus zählen – spätestens, wenn die «Big 4» doch einmal müde geworden sind. Doch das kann noch eine Weile dauern, wie der 35-jährige Federer zeigt.
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