Hinterbliebene nehmen Abschied von Vulkanopfern
Das neuseeländische Militär hat sechs der acht Opfer auf White Island auf Druck der Angehörigen bereits am Freitag geborgen.

Nach der Bergung von sechs weiteren Leichen auf der neuseeländischen Vulkaninsel White Island haben Angehörige am Freitag Abschied von den Toten genommen. Bei einem Zwischenstopp des Einsatzteams am Flughafen von Whakatane auf der Nordinsel Neuseelands trauerten mehrere Familien gemeinsam um die noch unidentifizierten Toten.
Das sagte der Labour-Vorsitzende Kelvin Davis dem «New Zealand Herald». Ob sich in den Särgen wirklich ihre Angehörigen befänden, sei egal gewesen, fügte Davis hinzu, der zu den neuseeländischen Ureinwohnern Maori gehört. In diesem Moment seien alle eine «whanau», eine grosse Familie, gewesen.

Noch in der Dämmerung hatte sich ein Bergungsteam am Freitagmorgen trotz der hohen Gefahr eines erneuten Vulkanausbruchs auf die Insel gewagt und dort sechs Leichen entdeckt. Die Bedingungen seien «sehr unvorhersehbar und anspruchsvoll» gewesen, teilte die Polizei mit.
Einige Patienten in kritischem Zustand
Neuseelands aktivster Vulkan war am Montag ausgebrochen. Insgesamt 16 Menschen, Touristen und Führer, die sich auf einer Sightseeingtour bei White Island befanden, starben in Folge des Ausbruchs, Dutzende weitere wurden verletzt.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden immer noch 17 Verletzte in vier Spitälern in Neuseeland behandelt. 13 weitere australische Patienten wurden in Kliniken in Sydney und Melbourne gebracht. Einige befänden sich im kritischen Zustand.
Einsatz noch nicht vorbei
Vier Tage nach dem Vulkanausbruch bargen Einsatzkräfte auf der Vulkaninsel sechs Leichen. Die sterblichen Überreste seien an Bord eines Marineschiffes gebracht worden, teilte Vize-Polizeichef John Tims am Freitag mit.
Der Einsatz des Bergungsteams aus acht Elitesoldaten fand unter äusserst riskanten Bedingungen statt: Vulkanforscher warnten vor einer möglichen neuen Eruption. Zwei weitere auf der Vulkaninsel vermutete Tote seien vorerst nicht gefunden worden, teilte die Polizei am Freitag mit. Der Polizeipräsident von Whakatane, Mike Bush, sagte: «Der Einsatz lief nach Plan. Aber er ist noch nicht vorbei.» Noch am Freitag sollte die Suche aus der Luft fortgesetzt werden. Das Nationale geologische Gefahrenüberwachungssystem Geonet warnte weiter vor einem erneut möglichen Ausbruch von Neuseelands aktivstem Vulkan.

An der vierstündigen Bergungsaktion auf der Insel waren sechs Männer und zwei Frauen beteiligt, wie der Oberst der neuseeländischen Verteidigungsstreitkräfte, Rian McKinstry, sagte. «Wir dürfen das Risiko des Einsatzes nicht herunterspielen.» Die geborgenen Leichen würden nun nach Auckland geflogen, um identifiziert zu werden.
Die Behörden gingen davon aus, dass es auf White Island neben den gefundenen sechs Leichen noch die sterblichen Überreste zweier weiterer Opfer des Vulkanausbruchs gab. Damit würde die Gesamtzahl der Opfer bei mindestens 16 liegen. Zwei Menschen waren nach Polizeiangaben in der Nacht zum Donnerstag im Spital ihren Verletzungen erlegen.
Druck von Angehörigen
Den Bergungseinsatz auf White Island hatten die Behörden trotz der Warnungen der Vulkanexperten gebilligt, dass die Gefahr einer neuen Eruption gestiegen sei. Sie lag demnach mittlerweile bei 50 bis 60 Prozent. Allerdings war zuletzt von Seiten von Angehörigen der Druck auf die Behörden gewachsen, die Bergungsmission einzuleiten.

Insgesamt hatten sich zum Zeitpunkt der Eruption am Montag 47 Menschen auf der Insel in der Bay of Plenty etwa 50 Kilometer vor der Küste der neuseeländischen Nordinsel aufgehalten. Die Ausflugstouristen und Reiseleiter kamen aus Deutschland, Australien, den USA, Grossbritannien, China, Malaysia und Neuseeland.
22 Verletzte lagen nach Behördenangaben noch im Spital. Viele von ihnen schwebten wegen schwerster Verbrennungen weiterhin in Lebensgefahr.
120 Quadratmeter Haut
Viele der Verletzten haben schwerwiegende Verbrennungen. Teilweise sind 90 Prozent der Körperoberfläche verbrannt. Hauttransplantationen sind in solchen Fällen vorgesehen – sofern genügend Spender vorhanden sind. Im Fall von White Island könnte sich dies schwierig gestalten.
«Wir gehen davon aus, dass wir weitere 1,2 Millionen Quadratzentimeter (120 Quadratmeter) Haut für die laufenden Bedürfnisse der Patienten benötigen werden», sagte Dr. Pete Watson, einer der Verantwortlichen für die medizinische Betreuung der Verletzten, in einem offiziellen Statement. Zum Vergleich: Die Hautoberfläche eines Erwachsenen beträgt im Schnitt etwa 1,7 Quadratmeter. Noch hätten sie Lagerbestände, doch diese gingen langsam zur Neige. Sie hätten bereits Nachschub aus den USA bestellt.

Die Verbrennungen seien wegen der bei der Eruption entstandenen Gase und Chemikalien sehr komplex, erklärte Watson. Dies verlange eine schnellere operative Behandlung, als das bei gewöhnlichen Verbrennungen der Fall sei. Mediziner würden rund um die Uhr arbeiten, um die chirurgische Erstversorgung der Patienten zu beschleunigen. «Dies ist nur der Anfang eines sehr langen Prozesses, der bei einigen mehrere Monate dauern wird.»
Diskussion um künftige Touren
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern sagte am Freitag, es sei zu früh, um zu sagen, ob die Regierung die Touren nach White Island stoppen werde. Der Vulkan werde seit fast 30 Jahren besucht. Aber es gebe Fragen, «die beantwortet werden müssen und werden». Zunächst gehe es aber darum, die Opfer wieder mit den Hinterbliebenen zu vereinen. «Wir wissen, dass die Wiedervereinigung diese Trauer nicht lindern wird.» Aber es gebe eine gewaltige Fürsorgepflicht, die Leichen zurückzubringen.
Der Inselstaat Neuseeland liegt auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Der Vulkan gilt als gefährlichster des Landes. Er war seit einiger Zeit wieder verstärkt aktiv, trotzdem fuhren immer wieder Boote mit Ausflüglern dorthin. Das Betreten der Insel war nur mit ausgebildeten Führern gestattet. Das Eiland in Privatbesitz ist nunmehr als Todeszone komplett gesperrt. Es war allerdings der erste tödliche Ausbruch seit 1914 – damals kamen zehn Bergarbeiter ums Leben.
SDA/sho/fal
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